Arbeitsrecht

Die psychische Gefährdungsbeurteilung – auf was Arbeitgeber achten müssen

- Achim Wurster

1. Einleitung

Nach § 5 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind Arbeitgeber verpflichtet, durch eine Beurteilung zu ermitteln, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Diese Pflicht trifft jeden Arbeitgeber, unabhängig von der Unternehmensgröße.

Einen wesentlichen Teil dieser Gefährdungsbeurteilung nimmt mittlerweile die Beurteilung möglicher psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ein. Die psychische Belastung bei der Arbeit betrifft viele unterschiedliche Einflüsse, etwa die Arbeitsintensität, Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit, das soziale Miteinander am Arbeitsplatz oder auch Lärm, Beleuchtung und Klima. Die psychische Belastung bei der Arbeit kann aber auch gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen haben, wie z.B. bei ständigem Zeitdruck, Erfolgsdruck oder bei ungünstig gestalteter Schichtarbeit. Daher muss man die psychische Belastung der Arbeit in der Gefährdungsbeurteilung mit berücksichtigen. Diese Pflicht ist seit 2013 in § 5 ArbSchG verankert, der Arbeitgeber muss die Beurteilung dokumentieren, § 6 ArbSchG.

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für die Planung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung verantwortlich. Er muss die Gefährdungsbeurteilung nicht selbst durchführen, sondern kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen (§ 13 Abs. 2 ArbSchG). Der Betriebs-/Personalrat hat bei der Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung Mitbestimmungsrechte, §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 89 BetrVG.

 

2. Mehrstufiges Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung

Wir empfehlen, für die Beurteilung und Dokumentation ein mehrstufiges Verfahren anzuwenden, wie es auch von einer Vielzahl der gesetzlichen Unfallversicherungen empfohlen wird.

 

Schritt 1: Festlegung von Tätigkeiten und Bereichen

Im ersten Schritt sind die Tätigkeiten und Bereiche festzulegen, die beurteilt werden sollen. Arbeitsbedingungen, die in Bezug auf die psychische Belastung gleichartig sind, können zunächst zu einer Einheit zusammengefasst und bewertet werden.

 

Schritt 2: Ermittlung der (psychischen) Belastung der Arbeit

Im zweiten Schritt wird die psychische Belastung der Arbeit für die gewählten Tätigkeiten/Bereiche ermittelt. Hierbei muss man einen Prozess definieren, um an die gewünschten Informationen heranzukommen, z.B. durch eine Mitarbeiterbefragung.

 

Schritt 3: Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit und Dokumentation der Ergebnisse

Die Beurteilung der ermittelten psychischen Belastung zielt darauf ab, einzuschätzen, ob Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind und wenn ja, welche dies sein können. Haben sich gefährdete Tätigkeitsfelder herauskristallisiert, sollte man ggf. weitere arbeitsplatzbezogene bzw. gruppenspezifische Bewertungen vornehmen, aus denen man akute Handlungsbedürfnisse ableiten kann. Die Ergebnisse sollten nun bereits dokumentiert werden. Nur so kann der Arbeitgeber im Streitfall die vorgenommene Gefährdungsbeurteilung – unabhängig von der Frage, welche Maßnahmen noch zu ergreifen sind – nachweisen.

 

Schritt 4: Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen

Wenn die Ergebnisse der Beurteilung der psychischen Belastung ergeben, dass Maßnahmen erforderlich sind, müssen Sie in einem vierten Schritt geeignete Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen muss sich der Arbeitgeber an § 4 ArbSchG orientieren. Danach ist die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Wichtig ist hierbei, dass die von der Belastung ausgehenden Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen und individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig sind.

Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung betreffen oft arbeitsplatzübergreifende Bereiche wie die Arbeitsorganisation oder soziale Beziehungen. Bei der Umsetzung von Maßnahmen müssen daher auch mögliche Auswirkungen auf andere Arbeitsbereiche berücksichtigt oder Verschiebungen von Belastungsproblemen in andere Bereiche vermieden werden.

 

Schritt 5: Wirksamkeitskontrolle

Der Arbeitgeber muss gem. § 3 ArbSchG von ihm umgesetzte Maßnahmen auf deren Wirksamkeit kontrollieren. Dazu gehört die Beurteilung, ob sich die psychische Belastungssituation nach Umsetzung der Maßnahmen in der gewünschten Weise verändert hat oder nicht.

 

Schritt 6: Fortschreibung/Aktualisierung

Die Gefährdungsbeurteilung muss stets aktuell sein, so dass der Arbeitgeber regelmäßig prüfen muss, ob Änderungsbedarf besteht. Gem. § 3 ArbSchG muss er die erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anpassen.

 

Schritt 7: Dokumentation

§ 6 ArbSchG schriebt vor, dass der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung dokumentieren muss. Aus der Dokumentation muss erkennbar sein, dass die Gefährdungsbeurteilung angemessen durchgeführt wurde. Die Unterlagen müssen daher Angaben zu dem Ergebnis der jeweiligen Gefährdungsbeurteilung, zur Festlegung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen sowie zu den Ergebnissen der Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen enthalten.

 

3. Fazit

Die Folgen für den Arbeitgeber bei unterlassener Gefährdungsbeurteilung können erheblich sein. So können Arbeitnehmer den Arbeitgeber zum Ergreifen von Maßnahmen veranlassen. Ferner haftet der Arbeitgeber bei einem Schaden gegenüber dem Arbeitnehmer, soweit nicht die zuständige Berufsgenossenschaft eintrittspflichtig ist. In letztem Fall besteht aber oft die Regressgefahr des Arbeitgebers nach §§ 110, 111 SGB VII. Nicht zuletzt kann die Nichteinhaltung der Arbeitsschutzvorgaben eine Ordnungswidrigkeit darstellen und zu Bußgeldern bis 25.000,00 € führen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)