Arbeitsrecht

Doppelt hält besser! – Der wirksame Freiwilligkeitsvorbehalt zur Bewahrung der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Gewährung von Sonderzahlungen

- Dr. Stefan Rein

Wurde bislang ein im (Formular-) Arbeitsvertrag enthaltener gratifikationsbezogener Freiwilligkeitsvorbehalt stets für ausreichend erachtet, um das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf die Zahlung einer Sondergratifikation (z.B. Weihnachtsgeld, zusätzliches Urlaubsgeld) trotz wiederholter Gewährung zu verhindern, so äußert das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich „Bedenken“ hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Vertragsgestaltung. Das Bundesarbeitsgericht zeigt dabei aber dankenswerter Weise zugleich auf, was zu tun ist, um die diesbezügliche Entscheidungsfreiheit doch noch zu bewahren.

Der abstrakte gratifikationsbezogene Freiwilligkeitsvorbehalt

Die Entstehung einer betrieblichen Übung kann durch eine entsprechende Vorbehaltserklärung bei jeder „freiwilligen“ Leistungserbringung verhindert werden. Um die Gefahr des Versäumnisses einer Vorbehaltserklärung von vornherein zu vermeiden, ist es empfehlenswert, einen solchen Freiwilligkeitsvorbehalt bereits in den (schriftlichen) Arbeitsvertrag mit aufzunehmen. Nach bisheriger Rechtsprechung war jedenfalls anerkannt, dass nicht jede einzelne (jährliche) Sonderzahlung mit einem gesonderten Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden zu werden braucht (so noch ausdrücklich BAG 30.07.2008 - 10 AZR 606/07).

Die „Bedenken“ und „Zweifel“ des Bundesarbeitsgerichts

Der gleiche Senat hat nunmehr aber „Bedenken, ob ein solcher [abstrakter] vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden [konkreten] Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann“ (BAG 14.09.2011 – 10 AZR 526/10). Mehr als 20 Jahre lang erfolgte Zahlungen, ohne jede (konkrete) Vorbehaltserklärung bei der jeweiligen Zahlung, würden die Annahme gleichwohl – allein aufgrund eines im Arbeitsvertrag enthaltenen (abstrakten) Freiwilligkeitsvorbehalts – nur unter Vorbehalt erbrachter Leistungen „als zweifelhaft erscheinen“ lassen.

Der erste Lösungsbaustein: Der konkrete Freiwilligkeitsvorbehalt

Es empfiehlt sich somit, jede einzelne „freiwillige“ Leistungserbringung stets mit einer auf jene ausdrücklich bezogene Vorbehaltserklärung zu verknüpfen. Inhaltlich hat sich ein solcher konkreter Vorbehalt im Wesentlichen nicht von dem – (parallel) im Arbeitsvertrag enthaltenen – abstrakten Vorbehalt zu unterscheiden. Auch bei dessen Formulierung ist somit darauf zu achten, dass er sich nicht in dem bloßen Hinweis erschöpft, dass sich der Arbeitgeber „freiwillig“ zur Erbringung dieser Leistung verpflichtet, also ohne dazu durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag gezwungen zu sein. Es muss vielmehr auch darauf hingewiesen werden, dass durch die ein- oder mehrmalige Gewährung dieser Gratifikation kein Anspruch für die Zukunft begründet wird. Eine solche konkrete Vorbehaltserklärung wird gewöhnlich bereits in die – für beide Seiten erfreuliche – Ankündigung der jeweiligen Leistungserbringung einbezogen.

Der zweite Lösungsbaustein: Der eingeschränkte abstrakte Freiwilligkeitsvorbehalt

Auf den im Arbeitsvertrag enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt bzw. auf dessen Aufnahme in den Vertragstext sollte trotz der jeweils konkret erfolgenden Vorbehaltserklärungen freilich nicht verzichtet werden. Bei dessen Gestaltung ist jedoch darauf zu achten, dass er sich nicht pauschal auf alle zukünftigen „freiwilligen“ Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund bezieht.

Hinsichtlich der Art der Leistung ist darauf zu achten, dass nicht auch sog. laufende, also monatliche Vergütungsbestandteile vom Vorbehalt mit umfasst werden. Ein auf diese bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt wäre unwirksam und würde letztlich zur gesamten Unwirksamkeit des diesbezüglich nicht differenzierenden Vorbehalts führen.

Hinsichtlich des Entstehungsgrunds ist bei dessen Formulierung zu berücksichtigen, dass mit ihm allein das Entstehen einer betrieblichen Übung ausgeschlossen werden kann. Es ist somit – ebenso wie schon bei der sog. doppelten Schriftformklausel – zudem ausdrücklich klarzustellen, dass von diesem Vorbehalt spätere Individualabreden im Sinne von § 305b BGB nicht erfasst werden. Denn mit dem gesetzlichen Vorrang der Individualabrede wäre ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu vereinbaren, der so ausgelegt werden kann, dass er (auch) Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt.

Die naheliegende Empfehlung: Dreifach hält noch besser!

Um die diesbezügliche Entscheidungsfreiheit – zumindest nach derzeitigem Rechtsstand – „bedenkenlos“ zu bewahren, sollte daher neben der eingeschränkten doppelten Schriftformklausel auch ein – nunmehr gleichfalls eingeschränkter – (abstrakter) Freiwilligkeitsvorbehalt in den Arbeitsverträgen enthalten sein. Darüber hinaus ist nunmehr dringend anzuraten, auch bei jeder einzelnen „freiwilligen“ Leistungserbringung einen entsprechenden (konkreten) Vorbehalt zu erklären.

Dr. Stefan Rein

Dr. Stefan Rein

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht