Arbeitsrecht

Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Zeitarbeit und Werkverträgen

- Achim Wurster

Die Bundesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Missbrauch (wenn es einen solchen überhaupt gibt) von Werkverträgen einzudämmen und die Regelungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zu verschärfen bzw. anzupassen. Nachdem Arbeitsministerin Nahles bereits 2015 einen ersten Entwurf vorlegte, der – berechtigterweise – enorme Kritik hervorgerufen hatte, beschlossen mittlerweile Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Zeitarbeit und Werkverträgen (BGBl. I S. 258). Das Gesetz wird zum 1. April 2017 in Kraft treten.

 

I. Änderungen des AÜG

Damit verbunden sind zunächst weitreichende Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).

1. Pflicht zur ausdrücklichen Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassung

Künftig müssen Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Verleiher und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet werden. Ebenso muss der jeweils zur Überlassung vorgesehene Arbeitnehmer vor (!) jeder Überlassung zukünftig darüber informiert werden, „dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird“. Damit soll die  Umdeutung eines Scheinwerk- bzw. Scheindienstvertrages in eine Arbeitnehmerüberlassung unter Berufung auf eine (vorsorglich) bestehende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr möglich sein.

Wichtig zu wissen ist hierbei auch, dass der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor Aufnahme der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers geschlossen worden sein muss. Darüber hinaus muss die konkrete Person des überlassenen Arbeitnehmers vor (!) der jeweiligen Überlassung zwischen dem Verleiher und dem Entleiher konkret bezeichnet sein.

Fehlt es an der konkreten Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder der Konkretisierung der Person des Leiharbeitnehmers, entsteht zwischen dem Entleiher und dem überlassenen Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis. Der betroffene Mitarbeiter hat insoweit ein Widerspruchsrecht, das er innerhalb eines Monats ab Beginn der rechtswidrigen Überlassung ausüben muss.

2. Verbot der Kettenüberlassung

Was bisher schon Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit war, ist jetzt auch Gesetz. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist zukünftig nur dann zulässig, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Damit ist ein Weiterverleih von Leiharbeitnehmern gesetzlich ausgeschlossen und mit einem Bußgeld bis zu 30.000,00 € bewehrt.

3. Gesetzliche Höchstüberlassungsdauer

Das AÜG ging schon immer davon aus, dass Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend zulässig sein soll. Die Reform konkretisiert dies nun und führt eine Höchstüberlassungsdauer eines Leiharbeitnehmers von 18 Monaten ein. Diese Höchstüberlassungsdauer berechnet sich arbeitnehmerbezogen, nicht arbeitsplatzbezogen. Demnach kann ein Kunde zwar denselben Arbeitnehmer maximal 18 Monate entleihen. Nach Ablauf dieser Einsatzdauer kann er den Mitarbeiter jedoch durch einen anderen Zeitarbeitnehmer ersetzen.

Bei Berechnung dieser Höchstüberlassungsdauer sind vorhergehende Einsatzzeiten des Leiharbeitnehmers bei dem jeweiligen Kunden anzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Leiharbeitnehmer über denselben Arbeitgeber oder ein anderes Personaldienstleistungsunternehmen an diesen Kunden überlassen wurde. Nicht anzurechnen sind „Vorbeschäftigungszeiten“, wenn der Mitarbeiter zwischenzeitlich mindestens drei ununterbrochene Monate nicht bei diesem Kunden eingesetzt war. 

Nach dem Gesetzeswortlaut bleibt jedoch bei Wechsel auf der Entleiherseite eine Überlassung von mehr als 18 Monaten zulässig; zulässig wäre etwa der Wechsel des Leiharbeitnehmers in ein Tochter- oder Schwesterunternehmen des ersten Entleihers.

a) Abweichungsmöglichkeiten von der Höchstüberlassungsdauer

Der Gesetzgeber räumt die Möglichkeit ein, mittels Tarifvertrag von den 18 Monaten abzuweichen und eine längere oder kürzere Höchstüberlassungsdauer festzulegen. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass diese Abweichung nur auf der Ebene des Entleihers, nicht jedoch des Verleihers möglich ist. 

Ein für den jeweiligen Kunden (also den Entleiher) geltender Tarifvertrag kann eine abweichende – also eine kürzere oder längere – Höchstüberlassungsdauer vorsehen. Im  Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Entleihers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen werden.

Kompliziert wird das Ganze dann, wenn der der Tarifvertrag keine Höchstüberlassungsdauer vorsieht, sondern nur die Möglichkeit der Abweichung von der Höchstdauer. Dann können nicht tarifgebundene Unternehmen über eine Betriebsvereinbarung nur eine Höchstüberlassungsdauer von 24 Monaten vereinbaren.

b) Folgen des Verstoßes

Eine Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer wird künftig als Ordnungswidrigkeit des Personaldienstleisters und des jeweiligen Kunden behandelt, wodurch ein Bußgeld bis zu 30.000,00 € droht. Auch bei der Frage der Zuverlässigkeitsüberprüfung des Inhabers einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wird die Einhaltung der 18-Monats-Frist künftig eine Rolle spielen. Bei Verstoß kann daher der Entzug oder die Nichtverlängerung der Erlaubnis drohen.

Zugleich wird das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher unwirksam mit der Folge, dass der jeweilige Mitarbeiter in ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher eintritt. Der Entleiher muss sodann auch die Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauerabführen. Die Nichtabführung dieser Sozialversicherungsbeiträge kann strafbar sein. 

Der Leiharbeitnehmer kann binnen eines Monats nach Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer erklären, dass er an dem Arbeitsverhältnis zum Verleiher festhält. Diese Erklärung ist aber nur wirksam, wenn der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt, die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat und die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht.

Berechnet wird die neue Höchstüberlassungsdauer jedoch erst ab 1. April 2017. Damit können die Rechtsfolgen frühestens zum 1. November 2018 relevant werden. Ratsam ist es dennoch, wo notwendig die Strukturen rechtzeitig anzupassen. 

4. Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern in Fragen der Mitbestimmung

Das Gesetz stellt klar, dass für die Berechnung etwaiger Maßzahlen und Schwellenwerte (wie z.B. im Rahmen des BetrVG für die Berechnung der Betriebsratsgröße) Leiharbeitnehmer  auch  im  Entleihbetrieb  zu  berücksichtigen sind. Soweit die Anwendung einzelner im Gesetz genannter Mitbestimmungsgesetze (das BetrVG ist nicht genannt!) eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.

5. Equal Pay 

Spätestens nach neun Monaten bei demselben Entleiher muss der Verleiher dem Leiharbeitnehmer nunmehr die Vergütung zu zahlen, die ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers erhält. Mindestens jedoch muss der Verleiher weiterhin die arbeitsvertraglich vereinbarte und in den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche vorgesehene Vergütung leisten (sog. „Meistbegünstigungsgrundsatz“). Für gewährte Sachbezüge im Entleihbetrieb steht dem Leiharbeitnehmer künftig ein Wertausgleich in Geld zu.

Weiterhin sind erhebliche Abweichungen hiervon durch Tarifvertrag möglich. Gilt für den jeweiligen Entleiher ein Branchenzuschlagstarifvertrag der Zeitarbeit, gilt Equal Pay nach neunmonatiger Einsatzdauer (noch) nicht, soweit dieser Tarifvertrag nach spätestens 15 Monaten Überlassung ein mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers vergleichbares Arbeitsentgelt vorsieht.

Eine Überarbeitung der Branchenzuschlagstarifverträge ist somit erforderlich. Bislang regeln diese, dass das tarifliche Gesamtentgelt des Leiharbeitnehmers auf 90% des Entgelts eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers gedeckelt werden kann. Diese Möglichkeit entfällt künftig, in den Tarifverträgen muss künftig die Erklärung enthalten sein, dass nach spätestens 15 Monaten Überlassung ein mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers vergleichbares Arbeitsentgelt erzielt wird.

Eine mehr als dreimonatige Unterbrechung der Arbeitnehmerüberlassung führt zu einem Neubeginn der 9-Monats-Frist.

Diese neue Frist gilt ebenfalls erst für Zeiten ab dem 1. April 2017, so dass die neue Regelung erstmals zum 1. Januar 2018 greifen kann.

6. Verbot des Einsatzes von Streikbrechern

Das Gesetz untersagt es Entleihern, einen Leiharbeitnehmer tätig werden zu lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es aus, dass der Entleihbetrieb „irgendwo“ bestreikt wird. Dann greift das Verbot, einen Zeitarbeitnehmer als Streikbrecher einzusetzen. Bereits im Betrieb tätige Leiharbeitnehmer dürfen weiter beschäftigt werden, wenn  sichergestellt ist, dass der Leiharbeitnehmer nicht die Arbeiten eines streikenden Arbeitnehmers des Entleihers übernimmt oder die Arbeit eines Arbeitnehmers des Entleihers, der wiederum die Arbeit eines streikenden Arbeitnehmers übernimmt. Ein Verstoß kann ein Bußgeld bis zu 500.000,00 € zur Folge haben.

II. Änderungen außerhalb des AÜG 

1. Definition des Arbeitnehmers

Ursprünglich war geplant, dass Werk- oder Dienstverträge einerseits und Arbeitnehmerüberlassung andererseits künftig leichter voneinander zu differenzieren sein sollten. Dazu war eine ausführliche Definition mit Abgrenzungskatalog im BGB vorgesehen. Nach massiver Kritik hieran wird nun lediglich eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmers in das Gesetz aufgenommen. Dies ist an sich unnötig, da diese ausschließlich (dazu noch unvollständig) die vom BAG aufgestellten Grundsätze wiederholt.

2. Änderungen im BetrVG 

Im BetrVG werden deutlich erweiterte Informationsrechte des Betriebsrats normiert. Das Informationsrecht aus § 80 Abs. 2 BetrVG umfasst künftig insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. 

Bei der Personalplanung muss der Arbeitgeber gem. § 92 BetrVG den Betriebsrat künftig auch über auch Personen unterrichten, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. 

III. Zusammenfassung

Der Gesetzgeber versucht mit diesem Gesetz, die Arbeitnehmerüberlassung auf ihren ursprünglichen Zweck zu reduzieren, nämlich die vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern. Ob er mit diesen komplizierten Änderungen und Mechanismen – so sie denn Gesetz werden – Erfolg haben wird, wird sich zeigen.

Bereits jetzt ist absehbar, dass das Gesetz insoweit keinerlei Klarheit bringt, wie ein Werkvertrag von der Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen ist und somit weiterhin nur die Rechtsprechung hier Klarheit bringen kann. Verbunden ist dies mit einem erheblichen arbeits-, sozialversicherungs- und strafrechtlichen Risiko für die beteiligten Unternehmen, insbesondere für die Entleiher.

Offen wird auch bleiben, ob die geplanten Widerspruchsrechte der betroffenen Leiharbeitnehmer wirklich ein echtes Wahlrecht der Leiharbeitnehmer darstellen werden.

Zum Autor: 

Rechtsanwalt Achim Wurster ist Partner der Kanzlei Dr. Kroll & Partner Rechtsanwälte mbB. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht sowie zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.). Achim Wurster berät und vertritt schwerpunktmäßig Unternehmen, Gemeinden und Vereine in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Sozialversicherungsrechts. 

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)