Familienrecht

Ärzte in Scheidung

- Nadine Mey

Die Arztpraxis in der familienrechtlichen Auseinandersetzung

1. Gesetzlicher Güterstand – wem gehört was?

Schließen die Ehegatten (vor oder während der Ehe) keinen Ehevertrag, in dem ein besonderer Güterstand gewählt wird, leben sie automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleibt zwar grundsätzlich der Ehegatte Eigentümer seines vor und während der Ehe erwirtschafteten Vermögens, doch wird im Falle der Scheidung jeweils der Vermögenszuwachs ausgeglichen, den die Ehegatten während der Ehe zu verzeichnen hatten.

2. Zugewinnausgleich bei Scheidung der Ehe

Die Berechnung des wechselseitig erzielten Zugewinns orientiert sich dabei starr an zwei Stichtagen:

Dem Stichtag des Anfangsvermögens (Tag der standesamtlichen Trauung) und dem Tag des Endvermögens (Tag der Zustellung des Scheidungsantrages).

Nur der in der Zeit zwischen diesen beiden Stichtagen erfolgte Vermögenszuwachs ist in Höhe der hälftigen Differenz an den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten auszugleichen.

Bestimmte Vermögenspositionen (Schenkungen, Erbschaften) werden dabei privilegiert behandelt, da diese nicht durch die Ehegatten erwirtschaftet wurden, sondern eine Vermögensmehrung von dritter Seite darstellen.

Zur Berechnung der Ausgleichsforderung sind alle Vermögenspositionen mit messbarem wirtschaftlichen Wert in die jeweilige Vermögensbilanz der Ehegatten einzustellen, zu bewerten und zu saldieren.

Verbindlichkeiten sind in Abzug zu bringen.

Zwar behält im Falle der Scheidung grundsätzlich jeder Ehegatte sein Vermögen, doch ergibt sich für denjenigen Ehepartner, der weniger Vermögen „dazugewonnen“ hat, ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch auf Zahlung einer bestimmten Ausgleichssumme.

In die Vermögensbilanz einzubeziehen ist damit nicht nur das während der Ehe gesparte Kapital, Immobilien, Kapitallebensversicherungen, Pkw etc., sondern auch eine während der Ehe gegründete oder weiter aufgebaute Arztpraxis.

Im Falle der Ehescheidung ist der Sachwert der Praxis (vermindert um eine latente Steuerlast) in das aktive Endvermögen des Praxisinhabers einzustellen. Die praxisbezogenen Verbindlichkeiten sind als Passiva ebenfalls einzubeziehen.

Da gesetzlich keine bestimmte Bewertungsmethode vorgeschrieben ist, wurde früher häufig Streit darüber geführt, nach welcher Methode der Wert der Arztpraxis zu ermitteln ist.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.02.2008 (Az. XII ZR 45/06) ist dieser Streit weitestgehend eingedämmt.

Zur Bewertung freiberuflicher Unternehmen wird inzwischen regelmäßig das Umsatzverfahren angewendet, da die Praxisumsätze i. d. R. stark von der Person des Inhabers abhängen. Die Ärztekammern haben spezielle Modifikationen zum Umsatzwertverfahren entwickelt, die von der Rechtsprechung bestätigt wurden.

Der Wert einer Arztpraxis bestimmt sich demnach zum einen aus dem Substanzwert (= materieller Wert) und dem immateriellen Praxiswert („good will).

Zum Substanzwert gehören neben der Praxiseinrichtung, die mit ihrem jeweiligen Zeitwert zu bewerten ist, auch Arbeitsmaterialien und ausstehende Forderungen.

Hinzu kommt der immaterielle Praxiswert (=ideeller Wert), welcher auf der Grundlage der Durchschnittsumsätze der letzten drei (teilweise bis fünf Jahre) ermittelt wird.

Um den ideellen Praxiswert zutreffend zu ermitteln ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der den individuellen Verhältnissen entsprechende Unternehmerlohn –nicht wie früher üblich ein pauschal angesetzter kalkulatorischer Unternehmerlohn- in Abzug zu bringen.

Nur durch den Abzug des konkreten Unternehmerlohns wird der auf den derzeitigen Praxisinhaber bezogene Wert eliminiert, der auf dessen Arbeit, persönlichen Fähigkeiten und Leistungen beruht und nicht auf einen Unternehmer übertragbar ist (BGH FamRZ, 99, 361, 364; BGH Urteil vom 06.02.2008, XII ZR 45/06).

Sofern lediglich ein kalkulatorischer Unternehmerlohn vom immateriellen Praxiswert in Abzug gebracht wird, führt dies nicht nur zu einem überhöhten Ansatz des „good will“, sondern auch dazu, dass im Ergebnis künftiges Einkommen des Praxisinhabers über den Zugewinnausgleich verteilt wird, obwohl im Rahmen des Zugewinnausgleichs nur das am Stichtag vorhandene Vermögen auszugleichen ist. Außerdem würde eine doppelte Teilhabe des zugewinnausgleichs- und unterhaltsberechtigten Ehegatten erfolgen, da das Einkommen des Praxisinhabers auch für den Unterhalt des anderen Ehegatten einzusetzen ist.

Eine doppelte Teilhabe des ausgleichsberechtigten Ehegatten –über den Zugewinnausgleich und den Unterhalt- ist jedoch zu vermeiden.

Nicht selten ist das Ergebnis einer Zugewinnausgleichsberechnung, in welche der aufwendig ermittelte Praxiswert einbezogen wurde, dass der Ausgleichspflichtige zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht ohne Weiteres leistungsfähig ist.

>Zwar bietet das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen über § 1382 BGB die Möglichkeit eine Stundung der Zugewinnausgleichsforderung zu erreichen und den Ausgleichsbetrag in Raten zu zahlen, doch ergibt sich für den Praxisinhaber, der neben der Praxis nicht über erhebliche weitere liquide Vermögenswerte verfügt, dennoch u. U. die Notwendigkeit der Liquidierung der Praxis, um die Zugewinnausgleichsverpflichtung zu erfüllen.

3. Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen eines Ehevertrages

Um im Falle einer Scheidung langwierige und kostenintensive Auseinandersetzungen zu verhindern und die berufliche Grundlage nachhaltig zu sichern, bietet es sich nicht nur an, sondern kann existenziell wichtig sein, sich über vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten frühzeitig Gedanken zu machen.

Denkbar ist beispielsweise, den im Gesetz ebenfalls vorgesehenen Güterstand der Gütertrennung zu wählen. Im Güterstand der Gütertrennung findet im Falle der Ehescheidung keine Aufteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens statt, sondern es bleibt jeder Ehegatte schlicht Eigentümer seiner Vermögenswerte und des während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachses.

Möglich ist ebenso, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft beizubehalten, jedoch in der Form zu modifizieren, dass bestimmte Vermögensgegenstände –insbesondere die Praxis- bei der späteren Berechnung der Zugewinnausgleichsansprüche unberücksichtigt bleiben.

Der ausgleichspflichtige Zugewinn wird dann lediglich unter Berücksichtigung der übrigen Vermögenswerte berechnet.

Vertraglich vereinbart kann weiter werden, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die Zwangsvollstreckung in die vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Positionen versagt ist.

Durch derartige vertragliche Regelungen kann ein optimaler Schutz der Praxis und damit der beruflichen Grundlage des Praxisinhabers erreicht werden.

Jede Änderung oder Modifikation des gesetzlichen Güterstandes bedarf zu ihrer Wirksamkeit allerdings zwingend der notariellen Beurkundung.

4. Die Auseinandersetzung der Ehegattenpraxis

Die unter Ziffer 3. dargestellten Schwierigkeiten der Praxisbewertung ergeben sich gleichermaßen, wenn die scheidungswilligen Ehegatten eine Gemeinschaftspraxis betreiben.

In diesem Fall ergeben sich regelmäßig deshalb noch weitere Probleme, weil die früher gemeinsam betriebene Praxis im Scheidungsfall häufig nicht fortgeführt werden kann oder will und auseinandergesetzt werden muss.

Neben der Durchsetzung familienrechtlicher Ausgleichsansprüche hat im Falle der Notwendigkeit der Auflösung einer Gemeinschaftspraxis jeder Ehegatte/Arzt auch Interesse daran, den gesamten Patientenstamm zu behalten. Jedoch scheitert eine vollständige Übergabe der Patientendaten regelmäßig an datenschutzrechtlichen Grundsätzen.

Es ist daher ratsam, bereits beim Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftspraxis unter Ehegatten den Fall einer Scheidung zu bedenken.

Grundsätzlich kommt zwischen den Ärzten einer Gemeinschaftspraxis und dem Patienten ein einheitlicher Behandlungsvertrag zustande. Die Ärzte schaffen demnach einen gemeinsamen Patientenstamm, auf welchen beide jederzeit zugreifen können.

Im Falle der Auseinandersetzung einer Gemeinschaftspraxis unter Ehegatten müssen neben dem Bundesdatenschutzgesetz, den landesrechtlichen und berufsrechtlichen Regelungen auch die Patientenwünsche berücksichtigt werden.

Eine Weitergabe der Patientendaten und Unterlagen erfordert grundsätzlich das Einverständnis des Patienten.

Es liegt nahe, dass scheidungswillige Ehegatten, die eine Gemeinschaftspraxis betreiben für diese Erfordernisse dann, wenn die Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft infolge der familienrechtlichen Trennungssituation ohnehin bereits nicht mehr sehr ausgeprägt ist, oft nur schwer vernünftige Lösungen finden können und viele Patienten, weil sie in diese privaten Auseinandersetzungen ihres Arztes nicht einbezogen werden wollen, schlicht einen anderen Arzt aufsuchen und sich der Patientenstamm rapide ausdünnt.

Damit ist sicher keinem geholfen.

Auch um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, bieten sich vielfältige vertragliche Regelungsmöglichkeiten, über die sich Ärzteehepaare frühzeitig informieren sollten, um „in guten Zeiten“ ausreichend Vorsorge für den Fall der Trennung und Scheidung getroffen zu haben.

Denkbar ist nicht nur, die Praxis von Anfang an als Praxisgemeinschaft zu betreiben, bei welcher jeder Arzt seinen eigenen Patientenstamm hat, den er im Falle der Auflösung der Praxisgemeinschaft problemlos mitnehmen kann.

Es kann alternativ auch vereinbart werden, dass beim Betrieb einer Gemeinschaftspraxis sogleich eine Zuordnung der Patienten ausschließlich zum behandelnden Arzt erfolgt und praxisintern eine getrennte Speicherung der Patientendaten stattfindet.

5. Fazit

Ob Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft – aus familienrechtlicher Sicht sind frühzeitige ehevertragliche Regelungen über die Behandlung und Bewertung der Praxis im Scheidungsfall nicht nur zu empfehlen, sondern unerlässlich, will der Praxisinhaber nicht Gefahr laufen, seine berufliche Grundlage durch familienrechtliche Ausgleichsansprüche aufs Spiel zu setzen.

Nadine Mey

Nadine Mey

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Mediatorin (BAFM)