Arbeitsrecht

Arbeitgeber dürfen jährliche Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht ohne Weiteres monatlich anteilig ausbezahlen, um so den gesetzlichen Mindestlohn zu erreichen

- Irma Benzing

Geklagt hat eine Arbeitnehmerin, die bis in das Jahr 2021 jeweils im Juni und Dezember eine Sonderzahlung in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommen hatte. Ende 2021 kündigte der Arbeitgeber an, die Sonderzahlung künftig vorzuziehen und monatlich anteilig auszubezahlen. Die Klägerin stimmte diesem Vorgehen nicht zu und verlangte vom Arbeitgeber, die Sonderzahlungen erst im Juni und Dezember zu bezahlen, da der Arbeitgeber die anteilige Zahlung dazu nutze, den Mindestlohn für die jeweiligen Monate zu erreichen. Das LAG Baden-Württemberg gab der klagenden Arbeitnehmerin in diesem Punkt Recht.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass durch die Jahrelange Zahlung jeweils im Juni und Dezember die Parteien eine Vereinbarung betreffend den Auszahlungszeitpunkt getroffen haben. Der Arbeitgeber stützt jedoch sein Recht, die Zahlungen vor der eigentlichen Fälligkeit durch anteilige monatliche Raten bewirken zu können, auf die gesetzliche Regelung des § 271 Abs. 2 BGB. Danach kann ein Gläubiger, wenn eine Zeit für die Leistung bestimmt ist, „im Zweifel“ die Zahlung früher bewirken. Diese Regelung ist aber nur subsidiär und greift nicht ein, wenn sich aus dem Gesetz, einer Parteivereinbarung oder den Umständen etwas Anderes ergib. So entschied das Gericht in dem vorliegenden Fall, dass dem Arbeitgeber wegen der besonderen Umstände ein Recht zur vorzeitigen Leistung nicht zustand. Das Gericht hat der Klägerin ein berechtigtes Interesse daran zugestanden, die Sonderzahlungen nicht monatlich zu erhalten, um eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn zu vermeiden. Da der Arbeitgeber kein eigenes Interesse an einer vorzeitigen Zahlung behauptete, blieb für die Anwendbarkeit des § 271 Abs. 2 BGB kein Raum. Der Arbeitgeber durfte die Sonderzahlung nicht auf den Mindestlohn anrechnen. In der Folge wurde der Arbeitgeber zur Zahlung des Mindestlohnes für die betreffenden Monate verurteilt. Ob zudem das Vorgehen des Arbeitgebers wegen Umgehung des Mindestlohnanspruchs (§ 3 Satz 1 MiLoG) unzulässig war, konnte das Gericht offenlassen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Irma Benzing

Irma Benzing

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht