Medizinrecht

Bundesverfassungsgericht entscheidet zu wahlärztlichen Leistungen von Honorarärzten

Mit Beschluss vom 3. März 2015 (1 BVR 3226/14) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Oktober 2014 bestätigt, wonach Honorarärzte keine wahlärztlichen Leistungen abrechnen können. Dennoch wirft die Entscheidung der Verfassungsrichter eine zentrale Frage auf.

Die Entscheidung des BGH

Zunächst sei die Entscheidung des BGH vom 16. Oktober 2014 in Erinnerung gerufen: Ein niedergelassener Neurochirurg hatte an einem Krankenhaus „seine“ Patientin operiert. Vor der Operation hatte er eine Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung geschlossen. Gleichsam schloss die Patientin bei Aufnahme in die Klinik eine Wahlleistungsvereinbarung ab, in welcher der Operateur nicht als Wahlarzt benannt wurde. Nach der durchgeführten Operation stellte der beklagte Neurochirurg die von ihm erbrachten Leistungen auf Basis der GOÄ gegenüber der Patientin in Rechnung. Das zunächst beglichene Honorar wurde von der klagenden Versicherung zurückgefordert. In einer viel beachteten Entscheidung bejahte der BGH den Rückforderungsanspruch der Versicherung. Begründet wurde dies auf zweierlei Arten: Zum einen stellte der BGH fest, dass § 17 Absatz 3 Satz 1 KHEntgG, der die Abrechnung wahlärztlicher Honorare regelt, seinem Wortlaut nach eindeutig sei und die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch selbständige Honorarärzte ausschließe. Gemäß dieser Vorschrift erstreckt sich die Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen „auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der (…) Behandlung (…) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses“. Durch diese Definition ist nach Ansicht des BGH der Kreis der zur wahlärztlichen Liquidation berechtigten Ärzte abschließend benannt. Wörtlich führt der BGH aus: „In dem der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte positiv beschrieben wird, wird zugleich negativ geregelt, dass anderen Ärzten ein Liquidationsrecht nicht zustehe“ (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 – III ZR 85/14). Weiter führt der BGH aus: „Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG erstreckt sich eine Wahlleistungsvereinbarung (…) auf angestellte und beamtete Krankenhausärzte, denen der Krankenhausträger das Liquidationsrecht eingeräumt hat. Niedergelassene Honorarärzte (…) sind jedoch weder Beamte noch Angestellte des Krankenhauses“ (BGH, a. a. O.). Zum anderen – so das zweite Argument – sei eine Vereinbarung über eine Behandlung gegen Privatrechnung in diesen Konstellationen unzulässig, da andernfalls die Regelung des § 17 KHEntgG unterlaufen werden könne.

Aufgrund dieser Urteilsbegründung des BGH war man in der Folge davon ausgegangen, dass wahlärztliche Leistungen von Honorarärzten generell nicht erbracht werden können, weil es am Status des Angestellten oder Beamten mangelt. Diese Interpretation der BGH-Entscheidung ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nur bedingt zutreffend.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2015

Gegen die vorzitierte Entscheidung des BGH hatte der beschwerte Neurochirurg Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügte dabei insbesondere eine Verletzung des Rechts aus Artikel 12 (freie Berufsausübung) und eine Ungleichbehandlung (Artikel 3 GG). Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die damit im Zusammenhang stehenden Fragen aus Sicht der Richter keine grundsätzliche Bedeutung hatten. Insbesondere war für das Gericht eine Verletzung der gerügten Grundrechte nicht ersichtlich. Auch seien die Grenzen der zulässigen Auslegung von Gesetzen durch den BGH nicht verletzt worden.

Spannend, weil wohl für die meisten Betrachter überraschend, ist die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts vorgenommene (vermeintliche) Fehlinterpretation des Urteils des BGH. Aus Sicht der Verfassungsrichter sei es falsch, anzunehmen, die BGH-Entscheidung beruhe auf der Annahme, ein Honorararzt könne generell keine wahlärztlichen Leistungen abrechnen. Da der betroffene Neurochirurg in der Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhaus und Patient weder als Wahlarzt noch als Stellvertreter aufgeführt worden war, habe sich der Bundesgerichtshof schon deshalb nicht mit der Frage befasst, ob ein Honorararzt in der Wahlleistungsvereinbarung als Wahlarzt bestimmt werden könne. Wörtlich führt das BVerfG aus: „Eine Aussage über den zulässigen Inhalt einer Wahlleistungsvereinbarung, insbesondere über die Zulässigkeit einer ausdrücklichen Bestimmung eines Honorararztes als Wahlarzt, wird hierdurch [durch die Entscheidung des BGH] nicht getroffen. Der Bundesgerichtshof hat mit dem angegriffenen Urteil mithin lediglich entschieden, dass der Honorararzt nicht in die Gruppe von Ärzten fällt, die zwar nicht in der Wahlleistungsvereinbarung genannt werden, auf die sich die Vereinbarung aber (…) erstreckt ....“ (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2015 – 1 BVR 3226/14). Im konkreten Fall sei die Leistung von einem Honorararzt auf Veranlassung des Krankenhausträgers erbracht worden. Eine solche Konstellation sehe aber § 17 KHEntgG nicht vor, weshalb die Entscheidung des BGH nicht zu beanstanden sei. Interpretiert man die Verfassungsrichter richtig, ist die Frage, ob ein Honorararzt wahlärztlich liquidieren kann, wenn er in der Wahlleistungsvereinbarung ausdrücklich benannt wird, offen.

Wenngleich das BVerfG ausdrücklich feststellt, dass der BGH keine Entscheidung darüber getroffen habe, ob ein Honorararzt als Wahlarzt in einer wahlärztlichen Vereinbarung genannt werden kann, bestätigt das Verfassungsgericht die BGH-Entscheidung. Maßgeblich ist hierbei aus unserer Sicht, dass die Argumentation des BVerfG – gerade so wie die des BGH – eine rein formaljuristische ist, die sich einzig am Wortlaut des § 17 Absatz 3 Satz 1 KHEntgG orientiert. Mit der inhaltlichen Frage, was eigentlich sachlich gegen die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte spricht, setzt sich das Bundesverfassungsgericht gerade so wenig wie der BGH auseinander. Insofern muss damit gerechnet werden, dass auch ein in einer wahlärztlichen Vereinbarung genannter Honorararzt nicht zur wahlärztlichen Liquidation berechtigt ist.

Für Rückfragen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Matthias Müller, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht, gerne zur Verfügung.