Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht

Der Testierwille bei Testamenten auf unüblichem Untergrund

- Paul Knorr

Die Anforderungen die das Gesetz in § 2247 BGB an die Errichtung eines Testamentes stellt sind auf den ersten Blick überschaubar: Es bedarf einer eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung, sowie der Erkennbarkeit der zeitlichen Errichtung (in der Regel durch Datierung). Zudem bedarf es eines sogenannten „Testierwillens“: Es muss ein ernstlicher Wille bei der Erstellung des Testamentes vorhanden sein, dass die schriftliche Äußerung als rechtsverbindlich gelten soll. Dieses letztgenannte Kriterium unterscheidet das rechtsverbindliche Testament von einem bloßen Entwurf.

Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass ein Testament, das äußerlich der erforderlichen Form entspricht, auch mit einem solchen Testierwillen erstellt wurde.

In der Praxis entsteht jedoch dann Streit über das Vorliegen des Testierwillens, wenn die letztwillige Verfügung auf einem ungewöhnlichen Untergrund geschrieben ist.

Notizzettel als Testament

Das OLG München sah in einem jüngeren Fall den Testierwillen gegeben. Der Erblasser hatte in dem zu entscheidenden Fall eine letztwillige Verfügung von Todes wegen auf der Rückseite eines Notizzettels einer Gemeinde erstellt, der 10 cm x 7 cm groß war und einen 3 cm großen Einriss hatte.

Das OLG räumt zwar ein, dass das verwendete Papier ungewöhnlich sei. Der Erblasser habe jedoch auch in der Vergangenheit ein Testament auf einem „Werbepapier“ errichtet. Auf einem anderen früheren Testament seien Kaffeeflecken vorhanden (OLG München, NJW-RR 2020, 329).

Anders entschied das OLG Braunschweig in einem ähnlichen Fall: Die Erblasserin hatte ebenfalls auf einem wenige Zentimeter großen Notizzettel geschrieben, dass derjenige, der sich um sie kümmere, alles haben solle. Der Zettel war zwar unterschrieben, erhielt jedoch keinen ausdrücklichen Hinweis auf ein „Testament“ und war nicht datiert. Das Gericht hatte hier Zweifel, ob die Erblasserin den erforderlichen Testierwillen bei der Errichtung besessen hatte: Die Erblasserin hatte in der Vergangenheit bereits ein privatschriftliches Testament errichtet, das sowohl Über- als auch Unterschrift und ein Errichtungsdatum enthielt (OLG Braunschweig, NJW-RR 2019, 583).

Butterbrotpapier

Das OLG Hamm hatte im Jahr 2015 einen Fall zu entscheiden, in welchem die Erblasserin auf einem Butterbrotpapier Verfügungen getroffen hatte. Das Schriftstück war mit den Worten „Tesemt“ überschrieben und enthielt keine vollständigen Sätze. Zudem wurde das Schriftstück in einer Schatulle mit gebrauchten Briefumschlägen und anderen unwichtigen Unterlagen aufbewahrt. Das OLG hatte hier aufgrund des ungewöhnlichen Papiers Zweifel daran, ob ein Testierwille vorlag und kam aufgrund der Gesamtumstände zu dem Entschluss, dass lediglich ein Entwurf gegeben sei (OLG Hamm, BeckRS 2016, 518)

Das Testament als Brief

In dem durch das OLG Schleswig zu entscheidenden Fall, hatte die Erblasserin einen Brief an ihren Bruder errichtet, in dem sie unter anderem schrieb, dass dieser ihr Geld erben soll. Das OLG sah hierin eine wirksame Erbeinsetzung. Der erforderliche Testierwille ergebe sich bereits daraus, dass die Erblasserin den Brief an ihren Bruder mit ihrem Vor- und Nachnamen unterschrieb. Dies deute auf das Bewusstsein der Erblasserin hin, dass das Schreiben eine „rechtliche bedeutsame Verfügung“ darstelle. Hinzu kam in dem vorliegenden Fall, dass die Erblasserin und ihre Geschwister wichtige Briefe sorgfältig aufbewahrten, weshalb die Sicherheit bestand, dass der letzte Wille auch umgesetzt werde (OLG Schleswig, ZEV 2010, 46).

Das Testament im Notizbuch

Abgelehnt wurde der Testierwille und somit das vorliegenden einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen in dem Fall den das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden hatte. Die Erblasserin – die eine erhebliche testierfreude besaß und zu Lebzeiten mindestens 15 Testamente, bzw. Testamentsentwürfe errichtete – hatte entsprechend den Vorschriften des § 2247 BGB in einem Notizbuch geschrieben, dass alle Verwandten enterbt und eine Stiftung als Alleinerbin eingesetzt werden sollte.

Gegen einen Testierwillen sprachen jedoch, nach Ansicht des Gerichts, Anhaltspunkte „außerhalb der Urkunde“: Die Erblasserin hatte bereits in der Vergangenheit Entwürfe ihrer Testamente in Notizbüchern festgehalten und diese später auf separaten Schreiben wiederholt.

Hätte die Erblasserin die vorliegende Notiz als rechtlich verbindliche Erklärung gewollt, hätte sie diese ebenfalls wiederholt.

Äußere Form ist (nicht) entscheidend

Bei der Errichtung von Testamenten gilt es zum einen die Form des § 2247 BGB zu beachten: Es muss grundsätzlich selbst geschrieben und unterschrieben sein. Zum anderen muss jedoch der Wille erkennbar sein, etwas rechtsverbindlich zu erklären. Dies kann wie gezeigt nur im Einzelfall entschieden werden. Da der Erblasser naturgemäß nicht mehr beantworten kann, ob er einen Entwurf oder ein verbindliches Testament erstellt hat, sollte dies bereits bei der Errichtung des Testamentes ausreichend klar zum Ausdruck kommen.

Paul Knorr

Paul Knorr

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht