Vereins- und Stiftungsrecht

Mitgliederversammlungen von Vereinen in Zeiten der Corona-Pandemie

- Christian Weber

Bei vielen Vereinen stehen regelmäßig im ersten Halbjahr eines Jahres die ordentlichen Mitgliederversammlungen an, in denen der Vorstand über das vergangene (Geschäfts-)Jahr Rechenschaft ablegt, maßgebliche Entscheidungen für das laufende Jahr getroffen werden und vor allem auch Wahlen für Vorstands- und andere Vereinsämter durchgeführt werden müssen. Durch die Kontaktbeschränkungen und weitere Auflagen sind zumindest bis auf absehbare Zeit solche Mitgliederversammlungen nicht möglich.

1. Verschiebung einer Mitgliederversammlung

In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, inwieweit der Vorstand die Möglichkeit hat, eine Mitgliederversammlung gegebenenfalls auf das zweite Halbjahr zu verschieben, auch wenn in der Satzung vorgesehen ist, dass die Versammlung in den ersten sechs Monaten oder im ersten Halbjahr stattzufinden hat. Da die Durchführung von Präsenzveranstaltungen aufgrund der behördlichen Vorgaben nicht möglich ist, kann eine Verschiebung dem Vorstand nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er insofern im Zweifel ohne jegliches Verschulden handelt.

Sofern nicht zwingende Gründe die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung oder einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren erfordern, dürfte sich hieran für den Vorstand auch durch die nachfolgend dargestellte COVID-19-Gesetzgebung oder eine eher selten vorhandene satzungsmäßige Regelung nichts ändern.

2. Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung

Soweit kurzfristig eine Mitgliederversammlung abgehalten werden muss, stellt sich die Fra-ge, wie dies trotz der Kontaktbeschränkungen möglich ist.

2.1. Bisherige Rechtslage

§ 32 Abs. 2 BGB sieht diesbezüglich lediglich vor, dass ohne Mitgliederversammlung eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren nur zulässig ist, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss erklären, d.h. es müssen alle Mitglieder an dem Umlaufverfahren teilnehmen und dem Beschluss zustimmen.

Allerdings ist § 32 Abs. 2 BGB durch eine satzungsmäßige Regelung abdingbar (vgl. § 40 BGB), d.h. die Satzung des Vereines kann Regelungen für eine sogenannte virtuelle Mitgliederversammlung, d.h. ohne persönliche Teilnahme der Mitglieder, enthalten. Soweit aber ein Verein eine abweichende satzungsmäßige Regelung nicht vorsieht, ist eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht ohne weiteres möglich.

2.2. „COVID-19-Gesetz“

Der Gesetzgeber hat im Rahmen des „Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-Genossenschafts-Vereins-Stiftungs-und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ vom 27. März 2020 für die Vereine, die entsprechende Satzungsregelungen noch nicht vorgesehen haben, eine – allerdings zeitlich begrenzte - gesetzliche Ermächtigung für eine virtuelle Mitgliederversammlung geschaffen.

a.) Virtuelle Mitgliederversammlung

§ 5 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt, dass es der Vorstand abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ohne satzungsmäßige Ermächtigung den Vereinsmitgliedern ermöglichen kann, an einer Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und ihre Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

Im Ergebnis bietet diese etwas verschachtelte Regelung den Vereinen und seinen Mitgliedern zwei Handlungsoptionen für eine virtuelle Mitgliederversammlung, wobei nach Auffassung des Gesetzgebers bei aller „Virtualität“ ein Versammlungsort in der Einladung bestimmt werden muss und sich wohl mindestens die Versammlungsleitung an dem Versammlungsort befinden muss:

  • Mitglieder nehmen über ein elektronisches Kommunikationsmittel, idealerweise ein Videokonferenztool an der Versammlung teil und üben ihr Stimm- und Rederecht hierüber aus. Allerdings gibt es vielfältige Probleme insbesondere im Hinblick auf den Nachweis, dass nur Mitglieder daran teilnehmen und ihr Stimmrecht ausüben können, und die Dokumentation der virtuellen Mitgliederversammlung.
  • Falls es Mitgliedern aus technischen oder sonstigen Gründen nicht möglich ist, an der virtuellen Versammlung teilzunehmen, sollen sie dennoch zumindest die Möglichkeit der Stimmabgabe haben, indem sie vor der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht zu den einzelnen Tagesordnungspunkten schriftlich gegenüber dem Vorstand ausüben.

b.) Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Wie bisher in § 32 Abs. 2 BGB schon vorgesehen, kann auch gänzlich auf eine Mitgliederversammlung verzichtet werden. Die neue gesetzliche Regelung erleichtert die bislang unrealistisch scharfen Voraussetzungen. § 5 Abs. 3 erfordert nunmehr „nur“ noch, dass, alle Mitglieder an der Beschlussfassung im Umlaufverfahren beteiligt wurden und mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme bis zu dem vom Verein gesetzten Termin in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Stimmabgabe in Textform bedeutet, dass auch die Stimmabgabe per Telefax oder E-Mail möglich ist.

Es muss jedoch dokumentiert werden, dass alle Mitglieder an der Stimmabgabe teilgenommen haben.

3. Gesetzliche Verlängerung der Amtsperiode der Vereinsorgane

Des Weiteren stellt sich die Frage, wie mit auslaufenden Amtszeiten von Vorständen oder anderen Organen des Vereines umzugehen ist.

Grundsätzlich sollte die Satzung eines jeden Vereines eine Regelung vorsehen, dass Vorstandsmitglieder immer bis zur Wahl eines neuen Vorstandes im Amt bleiben. Dies schützt auch außerhalb der aktuellen Beschränkungen den Verein vor einer Führungslosigkeit oder gar vor einer Bestellung eines Notvorstandes, da ein „Vertretungsvakuum“ weitestgehend vermieden wird.

Soweit eine entsprechende Satzungsregelung nicht vorliegt, besteht die akute Gefahr, dass ein Verein führungslos wird, wenn die in der Satzung festgeschrieben Amtsdauer des Vorstandes abgelaufen ist, aber aufgrund der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie kei-ne Mitgliederversammlung zur Neuwahl eines Vorstandes durchgeführt werden kann.

Um den Vereinen diese Sorge – wenn auch nur zeitlich begrenzt – zu nehmen, hat der Ge-setzgeber in dem oben erwähnten Gesetz diesbezüglich eine Regelung getroffen. Gemäß § 5 Abs. 1 bleibt ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu einer Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

4. Zusammenfassung

Nichts desto trotz und auch unabhängig von den aktuellen Beschränkungen sollte sowohl die Möglichkeit(en) einer virtuellen Mitgliederversammlung und einer Abstimmung im Umlauf-verfahren als auch die Fortdauer des Vorstandsamtes bis zur Neuwahl in der Satzung er-gänzt werden. Hierbei können wir Sie gerne beraten.

Christian Weber

Christian Weber

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht