Erbrecht

10 häufige Fragen im Erbrecht

- Paul Knorr

Tritt ein Todesfall ein, sind Angehörige neben den emotionalen Belastungen oftmals mit einem völlig neuen Sachverhalt und unbekannten (rechtlichen) Fragen konfrontiert. Auch wenn jeder Fall seine ganz eigenen Probleme, Unwägbarkeiten und Lösungsmöglichkeiten bietet, gibt es ein paar typische Fragen, die regelmäßig in erbrechtlichen Mandaten zu beantworten sind. Nachfolgend finden Sie 10 der häufig gestellten Fragen:

1. Ein Testament kann nur vor einem Notar errichtet werden.

Nein, ein (ordentliches) Testament kann entweder von einem Notar oder von Ihnen selbst errichtet werden. Das selbst errichtete Testament muss dabei vollständig von Ihnen geschrieben und unterschrieben werden. Dann ist es wirksam. Bei Ehegatten genügt es, wenn einer das Testament vollständig schreibt und der andere es unterschreibt.

2. Alle Personen, auch meine Kinder, kann ich vollständig enterben, wodurch diese nichts erhalten

Das ist rechtlich gesehen teilweise zutreffend. Sie können eine andere Person als Ihren Erben/Ihre Erbin einsetzen, wodurch beispielsweise Ihre Kinder enterbt sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese nichts erhalten: Kinder, Eltern und Ehegatten, die durch Enterbung von der vorgesehenen gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden, erhalten einen Pflichtteil. Das ist ein Geldzahlungsanspruch, der sich am Vermögen der verstorbenen Person zum Todestag bemisst. Der Pflichtteil ist in den seltensten Fällen zu umgehen.

3. Mein Ehegatte wird immer mein Alleinerbe

Das ist falsch! Der Ehegatte wird lediglich dann Alleinerbe, wenn das in einem Testament so vorgesehen ist, oder weder Kinder und deren Abkömmlinge, Eltern, Geschwister oder deren Abkömmlinge und auch keine Großeltern mehr leben. Leben die genannten Personen noch und wurde kein Testament errichtet, wird der Ehegatte lediglich Miterbe.

4. Geschwister haben einen Pflichtteilsanspruch

Pflichtteilsberechtigt ist lediglich ein ganz enger Personenkreis: Abkömmlinge, Ehepartner und Eltern wenn diese vom Erben ausgeschlossen werden, obwohl sie nach der gesetzlichen Erbfolge Erben geworden wären. Alle weiteren Verwandten, die von der Erbfolge ausgeschlossen werden, sind nicht pflichtteilsberechtigt.

5. Schenkungen der letzten 10 Jahre sind im Erbfall immer relevant

Das ist in dieser Pauschalität nicht richtig. Die genannte 10-Jahresfrist gilt im Pflichtteilsrecht und verhindert, dass der Pflichtteil durch Schenkungen unterlaufen wird. Deshalb werden für den Pflichtteilsanspruch (der sich aus dem Vermögen zum Todestag berechnet) Schenkungen der letzten 10 Jahre fiktiv miteinberechnet, wobei für jedes Jahr, das zwischen Schenkungsvollzug und Todestag liegt, 10% des Wertes der Schenkung verloren gehen. Unter Miterben sind Schenkungen darüber hinaus lediglich dann relevant, wenn ein Ausgleich bei Vornahme der Schenkung bestimmt war oder es sich bei der Schenkung um eine Ausstattung handelt. Dann gilt für die Anrechnung jedoch keinerlei Frist, die Anrechnung muss auch nach längerer Zeit noch vorgenommen werden.

6. Wenn ich keine Information durch das Nachlassgericht erhalte, werde ich auch kein Erbe

Doch! Erbe sind Sie nach den gesetzlichen Vorgaben mit Eintritt des Todes. Sie werden automatisch Erbe, ohne dass Sie dafür irgendetwas veranlassen müssen. Sie brauchen das Erbe auch nicht ausdrücklich anzunehmen. Lediglich dann, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag vorhanden ist, wird Ihnen dieses durch das Nachlassgericht übermittelt. Bei der gesetzlichen Erbfolge bekommen Sie hier regelmäßig keine Mitteilung. Möchten Sie nicht Erbe werden, müssen Sie aktiv werden und gegenüber dem Nachlassgericht oder einem Notar erklären, dass Sie die Erbschaft ausschlagen wollen. Dafür haben Sie 6 Wochen Zeit. Die Frist beginnt ab Kenntnis des Erbfalls und der Berufung zum Erben. Letzteres ist bei Testamenten der Zeitpunkt, in welchem dieses durch das Nachlassgericht übermittelt wird – bei der gesetzlichen Erbfolge jedoch dann, wenn Sie von dem Tod Kenntnis erlangen.

7. Einen Erbschein benötige ich als Erbe immer

Einen Erbschein benötigen Sie nicht immer – schon gar nicht, um Erbe zu werden. Der Erbschein stellt ein Legitimationspapier dar, mit welchem Sie Ihre Erbenstellung nachweisen können. Bei bestimmten Vorgängen, insbesondere der Veräußerung von sich im Nachlass befindlichen Immobilien, wird unter Umständen ein Erbschein benötigt.

8. Der Erbe mit dem größten Erbanteil muss den Miterben

Informationen über den Nachlass liefern Unter Miterben gibt es kein grundsätzliches Auskunftsrecht über den Bestand des Nachlasses. Jeder Miterbe ist verpflichtet, sich Informationen über die Zusammensetzung des Nachlasses selbst zu verschaffen. Die Aussage ist damit nicht zutreffend. In Ausnahmefällen, wenn ein Miterbe vom Nachlass ausgeschlossen wird und er sich die Informationen faktisch nicht selbst beschaffen kann oder Geschäfte für den Nachlass von einem Miterben geführt werden, können vereinzelt Auskunftsansprüche bestehen.

9. Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament kann nach dem Tod eines Ehegatten jederzeit einseitig geändert oder aufgehoben werden

Es kommt darauf an – meist jedoch nicht. Finden sich in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten sogenannte wechselbezügliche Verfügungen, können diese nicht einseitig geändert werden. Es tritt dann eine Bindung an die getroffenen Verfügungen ein. Wechselbezüglich sind Verfügungen die der eine nur deshalb trifft, weil der andere eine andere Verfügung trifft. Der klassische Fall ist der des „Berliner Testaments“: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein und zu Erben des Letztversterbenden ihre Kinder. Im Regelfall ist dieses Testament für die Ehegatten bindend und kann damit nach dem Tod nicht mehr geändert werden.

10. Mein Nachlass wird von einer bestimmten Person verwaltet und abgewickelt

Jaein – Sie können in Ihrem Testament eine Person, einen sogenannten Testamentsvollstrecker bestimmen und diesem die Aufgabe übertragen, den Nachlass abzuwickeln und das Vermögen zu verteilen. Fehlt eine solche Bestimmung obliegt die Verwaltung des Nachlasses allen Erben gemeinschaftlich.

Paul Knorr

Paul Knorr

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht