Arbeitsrecht

Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf die Vertragsgestaltung

- Dr. Stefan Rein

Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes, kurz Mindestlohngesetz (MiLoG), ist am 16. August 2014 in Kraft getreten. Es gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 8,50 Euro brutto. Da dieser Anspruch unabdingbar ist, ergibt sich – neben einer etwaigen Entgeltanhebung – auch die Obliegenheit zu entsprechender Klarstellung bei sog. Verfallklauseln.

Die Unabdingbarkeit des Mindestlohnes verbietet sich auf ihn erstreckende Ausschlussfristen

Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Unwirksam ist damit die den Mindestlohn unterschreitende Entgeltabrede als solche, an deren Stelle der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn tritt. Ebenso sind damit vertragliche Ausschlussfristen unwirksam, da solche die Geltendmachung eines Anspruchs zeitlich beschränken. Der Anspruch auf Arbeitsvergütung bis zur Höhe des gesetzlichen Mindestlohns unterliegt damit allein der Verjährung.

Zur eingeschränkten Möglichkeit der einschränkenden Auslegung von Verfallklauseln

Enthält der Arbeitsvertrag Ausschlussfristen, ohne hierbei den Anspruch auf Mindestlohn von dieser Regelung explizit herauszunehmen, stellt sich die Frage, ob damit eben allein auf den Mindestlohn abzielende, an sich verspätet geltend gemachte Vergütungsansprüche nicht verhindert werden können oder ob die dementsprechend allgemein gefasste Klausel nicht sogar in Gänze unwirksam wird und damit überhaupt keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr nach entsprechendem Zeitablauf verfallen können. Maßgeblich hierfür ist die Vertragsauslegung. Sollte man nach dieser zu dem Ergebnis gelangen, dass die Anwendung einer solchen Verfallklausel auch auf Fallkonstellationen, die – wie hier – zwingend durch gesetzliche Verbote geregelt sind, gerade nicht gewollt sein soll, könnte die vertragliche Regelung insoweit wirksam fortbestehen.

Dies ist so vom Bundesarbeitsgericht am 20. Juni 2013 (8 AZR 280/12) für Ansprüche wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung, welche gerade nicht im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB) und ebenso wenig deren Verjährung im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert (§ 202 Abs. 1 BGB) werden können, bereits entschieden worden. Der Arbeitgeber habe nämlich „grundsätzlich kein Interesse daran, einen gesetzwidrigen Haftungsausschluss für vorsätzlich verursachte [Schäden] zu vereinbaren, der in jedem Falle […] nichtig […] wäre.“ Zugleich stellt die Rechtsprechung jedoch klar, dass sich ein solches Auslegungsergebnis allein hinsichtlich der Ansprüche ergeben könne, welche von den Vertragsparteien gerade nicht bedacht worden sein sollen. Denn „[b]ei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist denken die Parteien eines Arbeitsvertrags vor allem an laufende Entgeltansprüche, also an Ansprüche des Arbeitnehmers, gegebenenfalls aber auch an Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlten Arbeitsentgelts, nicht aber an vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Personenschäden […]. Daher ist eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll. Ohne besondere Hinweise im Einzelfall ist eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig gerade nicht gewollt.“

Da es sich bei den Zahlungsansprüchen auf Mindestlohn jedoch um „laufende Entgeltansprüche“ handelt, sollte dieses Auslegungsergebnis damit in diesem Fall gerade nicht möglich sein. Die dies nicht berücksichtigende Verfallklausel ist damit nicht allein insoweit unwirksam, sondern aufgrund des gesetzlichen Verbots der sog. geltungserhaltenden Reduktion, also einer gedanklichen Reduzierung der an sich unwirksamen Regelung auf den gerade noch rechtlich zulässigen Regelungsinhalt, insgesamt unwirksam. Überhaupt keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis könnten damit mehr verfallen. Der Arbeitgeber könnte sich indes freilich nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst eingeführten Formularbestimmung berufen (BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05).

Fazit und Empfehlung

Die ohnehin im Regelungsumfang bereits deutlich zugenommenen Arbeitsverträge werden um einen weiteren Absatz „reicher“. Es ist nunmehr klarzustellen, dass die an sich vorgesehenen Ausschlussfristen gerade nicht auch für Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns gelten. Da diese grundsätzlich „jeder Arbeitnehmerin und jedem Arbeitnehmer“ zustehen, sollte diese Klarstellung vorsorglich auch für alle Arbeitsverhältnisse vorgesehen werden, selbst wenn das jeweilige Entgeltniveau (deutlich) über dem Mindestlohnniveau liegen sollte.

Dr. Stefan Rein

Dr. Stefan Rein

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht