Mit der Frage, ob ein gerichtlich bestellter, ärztlicher Sachverständiger die Untersuchung einer Partei nur in Anwesenheit des gegnerischen Anwalts durchführen darf, hat sich das OLG München in seinem Beschluss vom 1. Juni 2015 (24 W 881/15) auseinandergesetzt.
Der Fall
In einem Rechtsstreit um einen behaupteten ärztlichen Behandlungsfehler hatte das angerufene Landgericht ein medizinisches Gutachten beauftragt. Beurteilt werden musste vom angerufenen Sachverständigen die Frage, ob die Fraktur der rechten Elle medizinisch ordnungsgemäß versorgt worden war. Zur Erfüllung des Gutachtensauftrags hatte der Sachverständige den klagenden Patienten zu einer Untersuchung einbestellt und eine Anamneseerhebung durchgeführt. Zu diesem Untersuchungstermin war die beklagte Gegenseite nicht geladen worden. Daraufhin beantragte diese die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit. Aus dem Gutachten ergäbe sich, dass der Kläger ohne Beisein der Beklagten die Möglichkeit gehabt habe, seine subjektive Sicht der Dinge gegenüber dem Sachverständigen zu äußern und damit auf dessen Bewertung Einfluss zu nehmen. Hieraus resultiere die Besorgnis der Befangenheit.
Die Entscheidung des OLG München
Wie schon das erstinstanzliche Landgericht wies auch das Oberlandesgericht München den Antrag zurück. Es stellt fest, dass ein Anwesenheitsrecht der beklagten Partei bei der Untersuchung des Klägers nicht bestanden hat. Insbesondere lassen sich die Grundsätze aus anderen Bereichen des Zivilrechts nicht auf das Arzthaftungsrecht übertragen. So ist etwa für die Beweisaufnahme im Baurecht und Verkehrsrecht anerkannt, das ein Anwesenheitsrecht der Parteien bei Ortsbesichtigungen durch den Sachverständigen besteht. Typischerweise werden daher zu solchen Terminen beide Parteien geladen. Die ärztliche Untersuchung einer Partei durch einen Sachverständigen ist jedoch anders zu behandeln. In diesen Fällen muss das Interesse der Gegenpartei an der Teilnahme des Untersuchungstermins hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Patienten zurücktreten. So muss der Patient bei der Untersuchung die Anwesenheit Dritter nicht dulden. Auch ist er nicht verpflichtet, in die Untersuchung durch den ehemaligen, nun in Anspruch genommenen Arzt oder dessen Anwesenheit bei der Untersuchung durch einen Dritten zu dulden.
Für Rückfragen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Matthias Müller, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht, gerne zur Verfügung.