Arbeitsrecht

Bundesagentur für Arbeit: Kein Kurzarbeitergeld für Arzt-, Zahnarztpraxen und Krankenhäuser?

- Steffen Weipert

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat nach mehreren unabhängigen Berichten wohl bereits in der vergangenen Woche eine fachliche Weisung mit dem internen Aktenzeichen 75095/7506 erlassen.

Zwischenzeitlich hat die BA diese fachliche Weisung mit dem Bundesgesundheitsministerium abgestimmt. Die wohl bislang nicht veröffentlichte Weisung betrifft ausschließlich den Gesundheitssektor und hier wohl im Speziellen einen möglichen Ausschluss des Kurzarbeitergeldes für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser

Offensichtlich sollen die örtlichen Agenturen hierin angewiesen werden, Anträge auf Kurzarbeitergeld für Arzt-, Zahnarztpraxen und Krankenhäuser negativ zu bescheiden. Dies soll alle gestellten Anträge seit dem 01. März 2020 betreffen.

Hintergrund der Anweisung

Der Hintergrund für die Anweisung sind verschiedene Berichte wonach mehrere Klinikträger auf Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums alle nicht notwendigen Operation verschoben haben, um möglichst viele Betten für die erwarteten schweren Covid-19 Fälle freizuhalten. Dies führte schlussendlich dazu, dass aufgrund der leeren Betten mancherorts Klinikbetreiber für verschiedene Kliniken Kurzarbeit angemeldet haben. Zeitgleich hatte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 28. März 2020 die bis dato gestrichene Regelung des § 21 KHG (Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser aufgrund von Sonderbelastungen durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2) – auch bekannt als „Corona-Rettungsschirm“ - neu belegt. Mit der Einführung dieser Regelung soll es in Einzelfällen dazu gekommen sein, dass neben dem Kurzarbeitergeld auch noch Zahlungen aus dem Rettungsschirm beantragt wurden.

Mit dieser Regelung erhalten Kliniken u.a. in der Zeit vom 16. März bis zum 30. September 2020 für jedes im Verhältnis zum Vorjahr „freie Bett“ 560 € am Tag. Einen entsprechenden Rettungsschirm hatte der Gesetzgeber zeitgleich für vertragsärztliche Leistungserbringer in § 87 Abs. 3b SGB V eingeführt.

Durch die fachliche Weisung soll nun verhindert werden, dass ein Doppelbezug möglich ist.

Argumentation der BA

Die BA vergleicht die eingerichteten Rettungsschirme mit einer Betriebsausfallversicherung. Die Leistung schließe daher den Bezug von Kurzarbeitergeld aus.

Unsere Einschätzung

Die Argumentation der Agentur für Arbeit dürfte nach unserer Auffassung nicht ausreichen um einen Antrag auf Kurzarbeitergeld abzulehnen.

In den bisherigen fachlichen Weisungen zum Kurzarbeitergeld (Stand 20.12.18 bis fortlaufend, abzurufen unter www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013530.pdf) wird die Betriebsausfallversicherung nicht erwähnt. Erwähnt wird lediglich die Betriebsunterbrechungsversicherung im Zusammenhang mit dem Begriff Betriebsstörung (Maschinenschaden, Unterbrechung der Energieversorgung, Überschwemmung, Brand). Bei Bestehen einer Betriebsunterbrechungsversicherung mit Lohnersatz dürfe der Arbeitgeber in diesen Fällen nicht von seiner Lohnzahlungspflicht durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld entlastet werden, da sein Betriebsrisiko anderweitig aufgefangen werde. Gleichwohl ist Kurzarbeitergeld trotz Betriebsunterbrechungsversicherung aber schon nach den bisherigen Anweisungen möglich gewesen, wenn der Entgeltanspruch aus anderen Gründen entfällt. Als Beispiele werden eine abweichende Regelung in einem Tarifvertrag, in einem Einzelarbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung genannt, sofern die Regelungen vor dem schädigenden Ereignis abgeschlossen wurden.

Da davon auszugehen ist, dass insbesondere im Bereich der Arzt- und Zahnarztpraxen eine Anordnung der Kurzarbeit stets auf individualvertraglicher Basis erfolgt, da hier selten eine Tarifbindung oder ein Betriebsrat besteht, dürfte eine solche abweichende Regelung bestehen. In Kliniken dürften – sofern nicht bereits tarifvertragliche Regelungen bestehen – entsprechende Betriebsvereinbarungen bestehen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb eine unterstellte Betriebsausfallversicherung anders zu behandeln sein sollte als eine Betriebsunterbrechungsversicherung.

Auch der ebenfalls mit Wirkung zum 28. März 2020 eingeführte § 421c SGB III, mit welchem u. a. bei einer Tätigkeit in medizinischen Bereichen das dort erzielte Entgelt nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird, spricht gegen die Argumentation der BA. Diese Regelung setzt voraus, dass vertragsärztliche Leistungserbringer Kurzarbeit in Anspruch nehmen können. Andernfalls liefe diese Regelung leer.

Darüber hinaus fehlt es bereits an einer Vergleichbarkeit mit einer Betriebsausfallversicherung. Während eine Versicherungsleistung stets einen sog. Versicherungsfall vorsieht, der nicht vorsätzlich durch den Versicherungsnehmer verursacht worden sein darf, stehen die Leistungen aus den sog. Rettungsschirmen unter dem Grundsatz „außerordentliche Maßnahmen durch eine epidemiologische Notlage“ (vgl. hierzu bspw. die Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 23. März 2020). Durch die geregelten Maßnahmen sollten Kliniken angehalten werden die erwarteten Behandlungskapazitäten auf Vorrat bereit zu halten. Im vertragsärztlichen Bereich hat die Regierung zudem erkannt, dass es durch die allgemeinen Empfehlungen im Rahmen der Infektionseindämmung (Verschiebung nicht notwendiger Termine) und die Aufrechterhaltung der ärztlichen Versorgung aufgrund einer Vielzahl von erwartenden ambulanten Behandlungen durch die Pandemie zu Honorareinbußen kommen kann. Diese Gedanken sind mit den Leistungen einer Versicherung nicht vergleichbar.

Schließlich ist auch drauf zu verweisen, dass nach § 87 Abs. 3b S. 4 SGB V Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder finanzielle Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen den Anspruch mindern. Diese spricht dafür, dass der Gesetzgeber das Nebeneinander verschiedener Entschädigungen und Leistungen bewusst geregelt hat.

Sondersituation für Zahnärzte

Für vertragszahnärztliche Leistungserbringer, die nach unserem Kenntnisstand ebenfalls von den Weisungen der BA betroffen sind, besteht zudem eine Sondersituation. Nach § 87a Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB V sind vertragszahnärztliche Leistungen vom Anwendungsbereich der § 87a Abs. 2 – 6 SGB V ausgeschlossen.

Unsere Empfehlung

Nach unserer Auffassung ist der Bezug von Kurzarbeitergeld auch in den von der Weisung betroffenen Bereichen möglich. Im Fall eines ablehnenden Bescheids sollte unbedingt Widerspruch eingelegt werden um den Anspruch nicht zu verlieren. Dies muss innerhalb eines Monats nach Zugang der ablehnenden Entscheidung erfolgen.

Die vorübergehende Nichtgewährung von Kurzarbeitergeld hat in der Regel auch keine Auswirkungen auf die angeordnete Kurzarbeit. Die Arbeitszeit wird trotzdem vorübergehend reduziert und das Entgelt entsprechend gemindert. Der Arbeitgeber haftet in diesem Fall nur für Lohnansprüche bis zur Höhe des Kurzarbeitergeldes. Sie sollten aber darauf achten, dass in Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen die Zustimmung zur Kurzarbeit nicht von der Gewährung von Kurzarbeitergeld abhängig gemacht wird.

Sollte trotz der Weisung ein positiver Bescheid ergangen sein, raten wir dazu, das beantragte oder bereits gewährte Kurzarbeitergeld bei allen weiteren Anträgen auf Entschädigungsleistungen offen zu legen.

Steffen Weipert

Steffen Weipert

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht