Miet- und Pachtrecht

Corona-Lockdown als Mietmangel?

- Christoph Zier

Wie immer gilt der Grundsatz „zwei Juristen, drei Meinungen“. Sehr umstritten ist, ob die staatlich angeordnete Schließung von Gewerbebetrieben einen Mietmangel für das Mietverhältnis darstellt, der Mieter ein Recht auf Anpassung des Vertrages hat oder der Mieter keine Rechte hat.

Die zwangsweise Schließung von Gewerbebetrieben auf Grund der Corona-Krise führt dazu, dass der Mieter bspw. einer Gaststätte das Mietobjekt nicht mehr nutzen kann. Das Landgericht München I hat in einem solchen Fall entschieden, dass durch den staatlichen Eingriff der Nutzungszweck des Mietobjektes beeinträchtigt ist. Die Nutzbarkeit des Mietobjektes zum vertraglich vorgesehen Zweck schuldet jedoch gemäß § 535 BGB der Vermieter. Auf Grund dieser Argumentation kam das Landgericht dazu, dass aufgrund der Nichtnutzbarkeit ein Mietmangel vorliegt und der Mieter zur Minderung berechtigt ist. Das Landgericht Mönchengladbach hat vertreten, dass der staatliche Eingriff zu einer Störung der geschäftlichen Grundlage der Vertragsparteien führt, welche die Parteien bei Abschluss des Vertrages nicht berücksichtigt haben, mit dem Ergebnis, dass der Mietvertrag auf die neue Situation anzupassen ist. Für die Zeit der Schließung hielt das Landgericht Mönchengladbach eine Reduzierung der Miete um 50 % für angemessen. Unter anderem das Landgericht Frankfurt und des Landgericht Stuttgart wiederum lehnten sowohl einen Mietmangel als auch eine Störung der Geschäftsgrundlage ab. Die Gerichte führten in ihrer Entscheidung aus, dass die gemieteten Räumlichkeiten grundsätzlich genutzt werden könnten – und lediglich die tatsächliche Nutzbarkeit von der Vorstellung des Mieters abweiche.

Nun hat der Gesetzgeber gehandelt und hat Artikel 240 § 7 EGBGB „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“ eingeführt.

Dieser lautet:

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Es wird damit gesetzlich vermutet, dass die staatlichen Maßnahmen im Zuge der Corona-Krise eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Ein Streit wird damit wohl gelöst sein. Es bleiben jedoch viele Fragen offen.

Liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, so kann eine der Vertragsparteien die Anpassung des Vertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung verlangen, wenn ihr ein Festhalten am bisherigen Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die erste Frage ist damit, ab wann es dem Mieter nicht mehr zuzumuten ist, am bisherigen Vertrag festgehalten zu werden. Hier wird man wohl vor allem die wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigen müssen bspw.:

  • Hat der Mieter durch die staatlichen Einschränkungen finanzielle Einschränkungen?
  • Welche Einsparungen kann der Mieter vornehmen (Personalabbau)?
  • Gibt es alternative Möglichkeiten für den Mieter (Lieferservice)?
  • Kann der Mieter staatliche Hilfen beantragen?
  • usw.

Außerdem sind bei der Risikoverteilung die wirtschaftlichen Belange des Vermieters zu berücksichtigten bspw.:

  • Finanziert der Vermieter ein Darlehen durch die Miete und ist darauf angewiesen?
  • Bestreitet der Vermieter seinen Lebensunterhalt von den Mieten?
  • usw.

Geprüft werden muss dann, welche vertragliche Veränderung vorzunehmen ist. In Betracht kommen hier bspw.:

  • Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzug
  • Stundung der Mieten
  • Mietminderung
  • usw.

Jeder Einzelfall ist damit gesondert zu betrachten.

Der Gesetzgeber hat also eine wesentliche Frage beantwortet, indem er die gesetzliche Vermutung eingeführt hat, dass sich eine Vertragsgrundlage wesentlich geändert hat. Hierdurch ist zumindest geklärt, dass es für den Mieter grundsätzlich möglich ist, eine Vertragsanpassung zu fordern. Der Gesetzgeber hat den Mietern von Gewerberäumen geholfen, einen „Fuß in die Türe“ zu setzen. Wann der Mieter jedoch einen Anspruch hat und in welcher Form dieser mögliche Anspruch besteht, ist weiterhin offen. Hier sind nun die Gerichte gefragt.

Christoph Zier

Christoph Zier

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht