Erbrecht

Das Bedürftigentestament

- Ellen Steinacker

Erblasser, die nahe Angehörige haben, welche von einer Insolvenz bedroht sind oder sich als Schuldner bereits in einem Insolvenzverfahren befinden, fragen sich häufig, was im Falle einer Insolvenz mit dem Erbe passiert, wie der Angehörige trotz Insolvenz bedacht werden kann oder wie er auch vollständig ausgeschlossen werden kann.

Erbfall vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Tritt der Erbfall vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, steht die Annahme oder Ausschlagung nur dem Erben zu. Der Insolvenzverwalter kann die Entscheidung des Erben nicht anfechten. Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, fällt die Erbschaft in das Vermögen des Erben. Wird sodann ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben eröffnet, fällt die Erbschaft in die Insolvenzmasse, sofern für den Insolvenzfall keine Anordnungen in einer letztwilligen Verfügung getroffen wurden.

Erbfall während des Insolvenzverfahrens

Tritt der Erbfall während des Insolvenzverfahrens ein, steht die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft wiederum ausschließlich dem Erben zu. Der Insolvenzverwalter darf also über die Annahme und Ausschlagung nicht entscheiden, so dass ein insolventer Erbe eine Erb-schaft auch ausschlagen kann, damit die Erbschaft nicht in die Insolvenzmasse fällt.

Wird der Schuldner sodann Erbe während des Insolvenzverfahrens und nimmt er die Erbschaft an, fällt die Erbschaft ebenfalls in die Insolvenzmasse, sofern nichts anderes geregelt wurde.

Möchte ein Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen und wird er während der Wohlverhaltensperiode Erbe, hat er nach dem Gesetz die Pflicht, die Hälfte des Wertes der Erbschaft an den Treuhänder herauszugeben.

Lösungsansatz bei beabsichtigter Erbeinsetzung

Der Erblasser kann im Vorfeld testamentarisch Anordnungen für den Fall der Insolvenz eines Erben treffen. Um den insolventen oder von der Insolvenz bedrohten Erben zu bedenken, aber zu vermeiden, dass die Erbschaft in die Insolvenzmasse fällt, kann der Erblasser den Erben als nicht befreiten Vorerben einsetzen. Ist der Erbe gegenüber dem Erblasser pflichtteilsberechtigt, sollte die Erbquote etwas höher sein als die Pflichtteilsquote des Erben. Daneben wird sodann Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, um die Erbschaft vor den Gläubigern des Erben zu schützen. Diese Anordnungen können dann noch durch eine sog. Besserungsklausel ergänzt werden, mit der die Vorerbschaft auflösend bedingt erfolgt und der Erbe im Falle der erteilten Restschuldbefreiung sodann aufschiebend bedingter Vollerbe wird.

Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind allerdings rechtlich nicht unproblematisch. Sie entsprechen – bis auf die Besserungsklausel – der Gestaltung der von der Rechtsprechung anerkannten Behindertentestamenten. Die Frage, ob die die Gestaltung im Rahmen von Bedürf-tigentestamenten sittenwidrig ist, wird unterschiedlich beantwortet. Die Rechtsprechung hat zum Bedürftigentestament noch keine ausdrückliche Entscheidung getroffen, lediglich das Bundessozialgericht hat die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung zur Verhinde-rung der Verwertbarkeit des Vermögens im Sozialrecht für nicht sittenwidrig beurteilt (BSG, Urteil vom 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R).

Enterbung des insolventen Erben

Der Erblasser kann den insolventen Erben auch als Erben ausschließen und enterben. Ist der Erbe Ehegatte, Abkömmling oder Elternteil des Erblassers, hat der Erbe aber einen Pflichtteilsanspruch. Im Insolvenzverfahren gehört der Pflichtteilsanspruch von Anfang an zur Insolvenzmasse, der Insolvenzverwalter kann die Forderung jedoch erst einziehen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.

Ist der Erbe ein Abkömmling und ist der spätere Erbschaftserwerb aufgrund der Verschwendungssucht oder einer Überschuldung des Erben erheblich gefährdet, eröffnet das Gesetz ausnahmsweise die Möglichkeit, den Pflichtteil des Erben in guter Absicht durch Anordnung einer Nacherbfolge, Nachvermächtnis und einer Testamentsvollstreckung zu beschränken (§ 2338 BGB).

Fazit

Ein überschuldeter Erbe kann den Erblasser vor rechtliche Herausforderungen stellen, die bestenfalls mit anwaltlicher Unterstützung besprochen und geregelt werden sollten.

Ellen Steinacker (LL.M.)

Ellen Steinacker (LL.M.)

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwältin für Steuerrecht
Betriebliche Datenschutzbeauftragte (IHK)