Vereins- und Stiftungsrecht

Die Corona-Krise und die Mitgliederversammlung - Teil 3

- Christian Weber

Nachdem wir uns in unserem letzten Beitrag dazu geäußert hatten, inwieweit die Verlegung einer Mitgliederversammlung in das kommende Jahr 2021 den Vorstand vor (haftungs-)rechtliche Probleme stellen könnte, stellt sich vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen und weiterer Beschränkungen des privaten wie öffentlichen Lebens nunmehr die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen eine Mitgliederversammlung überhaupt noch als Präsenzversammlung in Baden-Württemberg stattfinden kann.

Auf Grundlage des Verordnungstandes am 9. Oktober 2020 ist zunächst zu klären, inwieweit zumindest unter Zugrundelegung der COVID-19-Verordnungen der baden-württembergischen Landesregierung eine Mitgliederversammlung als private Veranstaltung oder öffentliche Veranstaltung angesehen werden kann.

In Bayern hatte diesbezüglich das Verwaltungsgericht Würzburg unlängst entschieden, dass Vereins- und Parteisitzungen wohl als Privatveranstaltungen anzusehen sind.

Allerdings definierte die aktuell gültige Verordnung in Baden-Württemberg vom 22.09.2020 den Begriff der (öffentlichen) Veranstaltung in § 10 VI sehr viel allgemeiner:

„6. Veranstaltung im Sinne dieser Vorschrift ist ein zeitlich und örtlich begrenztes und geplantes Ereignis mit einer definierten Zielsetzung oder Absicht in der Verantwortung einer Veranstalterin oder eines Veranstalters, einer Person, Organisation oder Institution, an dem eine Gruppe von Menschen gezielt teilnimmt.“

Grundsätzlich dürfte daher eine Mitgliederversammlung als Veranstaltung im obigen Sinn anzusehen sein, sodass auch für eine Mitgliederversammlung ein Hygienekonzept aufgestellt werden muss (§ 10 I).

Allerdings sieht § 10 II S. 2 dieser Verordnung vor, dass abweichend von Absatz 1 bei privaten Veranstaltungen mit nicht mehr als hundert Teilnehmenden kein Hygienekonzept nach § 5 erstellt werden muss.

Man könnte jetzt dem Urteil des Verwaltungsgericht Würzburg folgend auf den Gedanken kommen, dass Mitgliederversammlungen eines Vereins als private Veranstaltungen einzuordnen sind.

Allerdings wird in den Erläuterungen zu der Verordnung des Landes Baden-Württemberg darauf hingewiesen, dass Veranstaltungen von Vereinen gerade nicht als private Veranstaltungen anzusehen sind und damit grundsätzlich immer ein Hygienekonzept erfordern:

„Bei privaten Veranstaltungen sind die Teilnehmenden in der Regel bekannt und ihre Anzahl ist begrenzt. Hinzu kommt, dass die Teilnehmenden zueinander oder zu veranstaltenden Person innerlich verbunden sind und ein gegenseitiger Kontakt und eine gemeinsame private Sphäre besteht. Ausreichend zur Begründung eines solchen Verhältnisses ist weder ein Vertrag noch die Zugehörigkeit zur selben Gruppe (zum Beispiel Wohnungseigentümergemeinschaft oder Vereinsmitgliedschaft). Firmenfeiern, Wohnungseigentümerversammlungen oder Vereinstreffen sind damit keine privaten Veranstaltungen.“

Der Begriff „private Veranstaltung“ ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen, sodass unter dem Begriff der privaten Veranstaltung vor allem Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Taufen, etc. zu verstehen sind. Unabhängig vom privaten oder nicht privaten Charakter der Veranstaltung ist die veranstaltende Person für die Einhaltung aller Hygieneregeln unter der Annahme im § 10 der Corona-Verordnung festgelegten Regeln verantwortlich.

Juristische Personen wie etwa Betriebe oder Vereine verfügen über eine grundsätzliche verwaltungstechnische Struktur und Organisation. Deshalb ist der (geringe) Mehraufwand, der durch das Erstellen eines Hygienekonzepts entsteht für Sie leistbar. Gewerbliche oder öffentliche Anbieter müssen immer ein Hygienekonzept erstellen, auch bei weniger als hundert Personen.“

Möglicherweise könnte der Begriff der Ansammlung im Sinne des § 9 auf eine zahlenmäßig begrenzte Mitgliederversammlung Anwendung finden. Eine Ansammlung liegt gem. § 9 bei einem Treffen ohne einen besonderen Zweck mit bis zu 20 Personen vor, ein Hygienekonzept ist dann nicht erforderlich. Bei einer Ansammlung wird auch nicht zwischen privat oder öffentlich unterschieden. Zu erheblichen ordnungsrechtlichen und tatsächlichen Problemen kann es jedoch kommen, wenn mehr als 20 Mitglieder zu der Versammlung erscheinen und der Verein kein Hygienekonzept haben. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die zuständige Ordnungsbehörde eine Mitgliederversammlung gerade nicht als Ansammlung im Sinne des § 9 ansieht, weil sich die Personen zu einem bestimmten Zweck (nämlich der Durchführung der Mitgliederversammlung) treffen.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass zumindest unter Zugrundelegung der aktuellen baden-württembergischen Regelungen eine Mitgliederversammlung nicht als private Veranstaltung anzusehen ist, sondern als öffentliche Veranstaltung und daher wohl in jedem ein Hygienekonzept erfordert.

Christian Weber

Christian Weber

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht