Gesellschaftsrecht, Vereins- und Stiftungsrecht

Die (Familien-)Stiftung als Königsweg der Vermögensnachfolge?

- Christian Weber

Wie der Bundesverband Deutscher Stiftungen in seiner jährlichen Veröffentlichung “Zahlen, Daten, Fakten zum deutschen Stiftungswesen – Bundesverband Deutscher Stiftungen“ Anfang dieses Jahres bekannt gab, stieg auch im Jahr 2020 die Zahl der neu gegründeten Stiftungen wieder deutlich an. Im Jahr 2020 wurden 712 Stiftungen gegründet, so viele wie seit 2011 nicht mehr. Diese Zahlen sind wenig überraschend, da z.B. die gemeinnützige Stiftung eine Gestaltungsform ist, von der alle profitieren. Die gemeinnützige Stiftung stellt mit nahezu 92% auch den Löwenanteil der nahezu 24.000 Stiftungen.

Aber auch jenseits des gemeinnützigen Bereichs wird im privatnützigen Bereich eine (Familien-)Stiftung als Instrument der Vermögensnachfolge immer häufiger empfohlen. In der Beratungspraxis stellt sich allerdings relativ häufig heraus, dass mit einer Stiftung oftmals falsche Vorstellungen verbunden sind. Es stellt sich daher die Frage, ob die (Familien-)Stiftung wirklich den oftmals bemühten Königsweg für eine Vermögensnachfolge darstellt. Die nachfolgenden Ausführungen sollen die wichtigsten Vor- und Nachteile, die sich aus den rechtlichen Besonderheiten einer Stiftung ergeben, kurz darstellen.

Aus zivilrechtlicher Sicht betrachtet handelt es sich bei einer Stiftung um eine selbstständige Vermögensmasse, die dauerhaft zur Verwirklichung eines bestimmten, vom Stifter definierten Zwecks eingesetzt wird. Der Stiftungszweck kann ein gemeinnütziger im Sinne der Abgabenordnung sein, wie z.B. die Förderung von Kunst und Kultur, aber auch ein privatnütziger z.B. die finanzielle Unterstützung von Familienmitgliedern, oder eine Mischform aus beiden, die sog. gemeinnützige Familienstiftung.

Eine Stiftung dient daher regelmäßig dazu, Vermögen dauerhaft zu erhalten und zu bewahren, da nur die Erträge aus der Verwaltung dieses Vermögens von der Stiftung für die Erfüllung des Stiftungszweckes verwendet werden dürfen, und das Stiftungsvermögen in seinem Bestand erhalten werden muss.

Anders als eine Personen- oder Kapitalgesellschaft kann eine Stiftung auch nicht von ihren Gesellschaftern gekündigt und damit aufgelöst werden. Die Stiftung ist grds. auf Ewigkeit errichtet und kennt keine Gesellschafter, die über ihren Bestand entscheiden können. Der Bestand einer Stiftung ist auch unabhängig von der Person des Stifters, sie existiert weiter, wenn der Stifter verstorben ist, ohne dass es eines Nachfolgers bedarf. Die Stiftung ist somit anders als eine Personen- oder Kapitalgesellschaft in ihrem Bestand völlig unabhängig von einzelnen Personen. Sie benötigt lediglich mit dem Stiftungsvorstand ein Führungsorgan.

Diese „Ewigkeitsgarantie“ ist oftmals auch der Anlass für potentielle Stifter, die Errichtung einer Stiftung zu erwägen. Der dauerhafte Erhalt des selbst geschaffenen oder aber seit langem in der Familie befindlichen Vermögens, aber auch der Schutz dieses Vermögen vor allzu verschwenderischen Nachkommen, lässt sich durch eine Übertragung dieses Vermögens in eine Stiftung gewährleisten.

Zudem kann die Einbringung von unternehmerischen Beteiligungen in eine Stiftung eine sehr sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit sein, um z.B. eine Zersplitterung der Gesellschafterstruktur im Erbfall zu vermeiden, oder um bereits zu Lebzeiten sicherzustellen, dass die unternehmerische Beteiligung nicht von den potentiellen Erben im weitesten Sinne „zu Geld gemacht“ wird, oder um eine einheitliche von den (Familien-)Gesellschaftern unabhängige Leitung des Unternehmens auch auf Gesellschafterebene zu gewährleisten. Die Stiftung ist in diesen Fällen regelmäßig Allein- oder Mitgesellschafter der unternehmerisch tätigen Personen oder Kapitalgesellschaft („Stiftung“ GmbH oder „Stiftung“ & Co KG). Eine der bekanntesten Unternehmensstiftungen ist die Robert-Bosch-Stiftung, die Hauptgesellschafterin der Robert Bosch GmbH in Stuttgart ist.

Bei wohlhabenden Personen ohne eigene Nachkommen ist die Gründung einer Stiftung zudem oftmals die einzige Möglichkeit, dass eigene Vermögen geplant über den eigenen Tod hinaus zu bewahren. Soweit tatsächlich keine Erben vorhanden sind, erbt der Fiskus mithin der Staat; dies gilt es zu vermeiden.

Ein weiterer Grund für die Errichtung einer Stiftung ist darüber hinaus oftmals der Wunsch der Stifter, der Allgemeinheit etwas durch die Unterstützung gemeinnütziger Tätigkeiten zurückzugeben.

Daneben ist gerade die gemeinnützige Stiftung durch die diversen steuerlichen Vergünstigungen dazu prädestiniert, bei der Vermögensübertragung Erbschaft- und Schenkungsteuer zu sparen. Durch die Nutzung von Spendenvorträgen kann in begrenztem Umfange auch die Besteuerung der laufenden Einkünfte des Stifters reduziert werden.

Allerdings stellen sich bereits bei der Ausstattung der Stiftung mit dem Stiftungskapital die ersten praktischen Schwierigkeiten, denen sich ein potentieller Stifter bewusst sein sollte. Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es zunächst eines „Startkapitals“ von wenigstens EUR 50.000,00. Dieser Betrag muss von dem Stifter der Stiftung als sog. Stiftungsstock zur Verfügung gestellt werden. Aus den sich hieraus ergebenden Erträgen muss die Stiftung sodann ihren Zweck verwirklichen. Aufgrund der aktuellen Zinssituation ist es den Stiftungen jedoch oftmals kaum möglich, aus den erzielten Erträgen ihren Zweck angemessen zu erfüllen. Selbst bei einem Stiftungskapital von 1,0 Mio EUR lässt sich aus „mündelsicheren“ Kapitalanlagen aktuell jährlich regelmäßig nur ein Ertrag von 15.000,00 EUR bis 30.000,00 EUR erwirtschaften. Dies ist in der Regel nicht ausreichend, um den gewünschten Zweck zu erfüllen, insbesondere, wenn der Zweck die Unterstützung von Familienmitgliedern sein soll. Eine Kapitalanlage in andere Anlageobjekte mit höherer Rendite ist nicht nur für die Stiftung finanziell riskant, sondern birgt für den Vorstand der Stiftung auch ein veritables Haftungsrisiko, so dass dieser Weg eher selten beschritten wird.

Etwas anderes gilt möglicherweise dann, wenn der Stifter den Stiftungsstock mit Immobilien ausstattet und die (Netto-)Mieten für die Zweckverwirklichung verwendet werden können, oder bei der Einbringung von Beteiligungen an rentablen Kapital- oder Personengesellschaften mit hohen jährlichen Ausschüttungen an die Gesellschafter.

Zudem ist es potentiellen Stiftern oftmals nicht bewusst, dass das Vermögen, das sie der Stiftung als Vermögensausstattung zur Verfügung stellen wollen, in der Regel „ewig“ in der Stiftung verbleibt und nicht mehr zurückgefordert werden kann.

Einen Ausweg aus dieser „Ewigkeitsbindung“ bietet zwar die seit einigen Jahren auch gesetzlich in § 80 Abs. 2 S. 2 BGB anerkannte „Verbrauchsstiftung“. Abweichend von einer „normalen“ Stiftung mit einem grds. auf Ewigkeit zu erhaltenden Vermögen handelt es sich bei einer Verbrauchsstiftung um eine Stiftung, deren Vermögensstock nach 10 Jahren verbraucht werden kann. Die Verbrauchsstiftung macht insbesondere für nicht gemeinnützige Familienstiftungen Sinn, bei denen der Hauptzweck die Versorgung der Familie und weniger die Erreichung anderweitiger gemeinnütziger Zwecken ist. Allerdings wird diese Stiftungsform wegen der steuerlichen Nachteile und der praktischen Abwicklungsprobleme eher selten gewählt.

Die Errichtung einer gemeinnützigen oder privatnützigen Stiftung kann daher ein sehr sinnvolles Instrument für eine Vermögensnachfolge sein. Sie ist jedoch nicht der Königsweg für alle Ausgangsituationen einer Vermögensnachfolge. Der Erblasser muss sich sehr genau überlegen, aus welchem Grund und mit welcher Zielrichtung er Vermögen zu Lebzeiten übertragen möchte. Wählt er die Errichtung einer Stiftung, muss er sich der dauerhaften Beschränkungen, die die Errichtung einer Stiftung unweigerlich mit sich bringt, bewusst sein.

Für weitere Fragen und natürlich auch eine Beratung im Hinblick auf die Gründung von (Familien-)Stiftungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Christian Weber

Christian Weber

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht