Arbeitsrecht

Die unwiderrufliche Freistellungserklärung zur Urlaubsgewährung – Besonderheiten bei jahresübergreifender Kündigungsfrist und dem zusätzlichen Wunsch einer Anrechnung anderweitigen Verdienstes

- Dr. Stefan Rein

Mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bestehen das Arbeitsverhältnis und die aus ihm resultierenden gegenseitigen Hauptpflichten, also die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zum einen und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers zum anderen, (zumindest) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fort. Gleichwohl fehlt auf Arbeitgeberseite häufig schon zu diesem Zeitpunkt das Interesse, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers weiterhin in Anspruch zu nehmen. Sofern der Arbeitnehmer nicht seine tatsächliche Beschäftigung verlangt, ist eine solche Freistellung von der Arbeitspflicht durch entsprechende Erklärung möglich. Dabei gilt es allerdings Sorge dafür zu tragen, dass dieser Zeitraum zugleich dazu genutzt wird, mit ihm ohnehin zu gewährende Freistellungsansprüche zu erfüllen.

Die beiden einseitigen Freistellungsalternativen und deren Auswirkungen auf die Möglichkeit einer parallelen Urlaubsgewährung

Im Falle einer unwiderruflichen Freistellung ist eine konkrete zeitliche Festlegung des Urlaubs (innerhalb des Freistellungszeitraums) nicht erforderlich. Es muss allerdings deutlich sein, dass die Arbeitsbefreiung auch der Erfüllung von Urlaub dienen soll. Wird hingegen lediglich eine widerrufliche Freistellung gewährt, käme eine Anrechnung von Urlaub an sich nicht in Betracht, sodass der konkrete Zeitraum, in welchem Urlaub gewährt werden soll, ausdrücklich festzulegen ist.

Unabhängig von der konkreten Festlegung des Urlaubs hat der Arbeitgeber jedoch stets hinreichend deutlich zu machen, in welchem Umfang er den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit seiner Freistellungserklärung erfüllen will. Dies ist beispielsweise bei einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist von Bedeutung. Die Erklärung muss dann so eindeutig sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, ob der Anspruch auf den gekürzten Vollurlaub (nach § 5 Abs. 1 lit. c BurlG) oder – rein vorsorglich – zudem der Anspruch auf den Vollurlaub erfüllt werden soll. Würde das Arbeitsverhältnis im Falle einer für unwirksam erachteten Kündigung nicht – wie an sich vorgesehen – in der ersten Hälfte des Folgejahres enden, wäre ohne eine entsprechende Klarstellung gerade nicht eindeutig, dass auch der nach Ansicht des Arbeitgebers (noch) nicht geschuldete Urlaub, der sich aus der Differenz zwischen dem Teilurlaub bzw. gekürzten Vollurlaub und dem gesamten Jahresurlaub ergibt, gewährt werden sollte. Dieser Zweifel ginge zu Lasten des erklärenden Arbeitgebers.

Ausnahme: Ausdrückliche Festlegung des Urlaubszeitraums bei entsprechendem „wirtschaftlichen Interesse“ des Arbeitnehmers

Die Festlegung des Urlaubszeitraums ist – trotz unwiderruflicher Freistellung – ausnahmsweise dann erforderlich, wenn auch die Anrechnung anderweitigen Verdienstes, also des Verdienstes, den der Arbeitnehmer gerade durch seine Freistellung in der Lage ist, anderweitig und somit an und für sich zusätzlich zum Verdienst bei seinem Noch-Arbeitgeber zu erzielen, ohne dabei freilich wettbewerbswidrig zu handeln, vorgesehen ist. Der Arbeitnehmer hat dann nämlich ein wirtschaftliches Interesse daran, sein Verhalten während des Freistellungszeitraums daran zu orientieren, ob ein etwaiger Zwischenverdienst der Anrechnung unterliegt oder nicht. Deshalb obliegt es dem Arbeitgeber in solchen Fällen, entweder den anrechnungsfreien Urlaubszeitraum konkret zu benennen, die Reihenfolge der Zeiträume zweifelsfrei festzulegen oder dem Arbeitnehmer auf andere Weise mitzuteilen, ob und innerhalb welcher Zeiträume die Anrechnungsvorschrift des § 615 Satz 2 BGB zur Anwendung kommt.

Grundsätzlich keine Erfüllung bereits entstandener Überstundenvergütungsansprüche durch einseitige Freistellung

Neben der gleichzeitigen Gewährung von Resturlaub bietet sich ebenso die Anrechnung noch etwaiger sonstiger Freistellungsansprüche, insbesondere von Freizeitausgleichsansprüchen nach geleisteter Mehrarbeit, auf die vorgesehene (unwiderrufliche) Freistellung an. Ein bereits entstandener Anspruch auf Überstundenvergütung kann durch einseitig vom Arbeitgeber angeordnete Freistellung von der Arbeit jedoch nicht erfüllt werden, sofern keine diesbezügliche Ersetzungsbefugnis besteht. Und ein Arbeitnehmer, der eine einseitig vom Arbeitgeber angeordnete Freistellung widerspruchslos befolgt, erklärt damit – regelmäßig – auch nicht sein Einverständnis mit einem ihm gleichzeitig mit der Freistellung angesonnenen Verzicht auf bereits entstandene Vergütungsansprüche.

Dr. Stefan Rein

Dr. Stefan Rein

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht