Familienrecht

Eheverträge - Wer braucht sie, wer braucht sie nicht?

- Nadine Mey

Um diese Frage beantworten zu können, muss man wissen, was im Scheidungsfall gilt, wenn kein Ehevertrag geschlossen wird. Es ist keineswegs unromantisch, sich diese Frage vor oder nach der Eheschließung zu stellen und offen zu besprechen, zeigt man so doch bereits im Vorfeld Weitsicht und Bereitschaft, auch für den fall des Scheiterns der Beziehung fair miteinander umzugehen. Denn ein Ehevertrag kann für den Fall, dass die Ehe nicht durch den Tod, sondern einen Richter geschieden wird, einen Rosenkrieg über die Scheidungsfolgen vermeiden und zudem viel Zeit, Geld und Nerven sparen.

Nach der gesetzlichen Definition sind sog. „Scheidungsfolgesachen“:

Der Versorgungsausgleich (Rentenausgleich)

Anlässlich der Scheidung berechnet das Familiengericht, in welcher Höhe beide Ehegatten während der Ehezeit Rentenanwartschaften erwirtschaftet haben und gleicht diese innerhalb des jeweiligen Rentensystems hälftig zugunsten des jeweils anderen Ehegatten aus.

Auf diese Weise kommen die während der Ehezeit erwirtschafteten Rentenanwartschaften beiden Ehegatten in gleicher Höhe zugute.

Der Unterhalt

Nach Rechtskraft der Scheidung kann der wirtschaftlich schwächere Ehegatte vom einkommensstärkeren unter bestimmten Voraussetzungen nachehelichen Unterhalt verlangen, wenn er nicht in der Lage ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

Die Ehewohnung und gemeinsame Haushaltsgegenstände

Können sich die Ehegatten im Scheidungsfall nicht darüber einigen, wer das eheliche Haus weiter bewohnt, muss das Familiengericht prüfen, welcher Ehepartner in stärkerem Maße auf die weitere Nutzung angewiesen ist.
Ebenso verhält es sich mit den im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Haushaltssachen.

Güterrechtssachen

Abhängig vom ehelichen Güterrecht ist es, ob und ggf. auf welche Weise anlässlich der Scheidung ein Vermögensausgleich stattfindet.
Wer keinen Ehevertrag abgeschlossen hat, lebt im gesetzlichen Güterstand. Dies ist die Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall ist der Ausgleich des während der Ehezeit von den Eheleuten erwirtschafteten Vermögens zu berechnen.

Was kann in einem Ehevertrag geregelt werden?

In einem Ehevertrag können die Ehepartner individuell und abweichend von den standardmäßigen gesetzlichen Regelungen festlegen, wie die o. g. Scheidungsfolgen in ihrem Fall geregelt werden sollen. Der Bundesgerichtshof bestätigt in seiner Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen, dass die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten unterliegen und das geltende Recht einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zu Gunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt.

Möchte sich einer der Ehegatten im Scheidungsfall an dem Inhalt seines Ehevertrages nicht mehr festhalten lassen, so kann er die Wirksamkeit des Ehevertrages familiengerichtlich überprüfen lassen. Das Familiengericht nimmt in diesen Fällen eine sog. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle vor, die sich an der im Jahr 2004 vom Bundesgerichtshof entwickelten und noch immer gültigen sog. Kernbereichslehre zu orientieren hat. Nach der Kernbereichslehre haben die o. g. Scheidungsfolgen nicht die gleiche Wertigkeit, sondern stehen auf unterschiedlichen Stufen. Die ehevertraglich gestaltete Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben muss demnach umso genauer geprüft werden, je mehr sie in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.

Stufe 1:

In der ersten Stufe stehen nacheheliche Unterhaltsansprüche, wobei innerhalb dieser Stufe an oberster Stelle der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB steht. Im Hinblick auf seine Ausrichtung am Kindesinteresse unterliegt dieser Anspruch nicht der freien Disposition der Ehegatten, ist aber dennoch nicht jeglicher Modifikation durch die Ehegatten entzogen, wie der Bundesgerichtshof ebenfalls hervorhebt.
Innerhalb dieser ersten Stufe folgen nacheheliche Unterhaltsansprüche wegen Krankheit und Alters sowie der Versorgungsausgleich, der als vorweggenommener Altersunterhalt der ehevertraglichen Disposition ebenfalls nur begrenzt offen steht.

Stufe 2:

Am ehesten verzichtbar sind Ansprüche auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, Krankenvorsorge- und Altersunterhalt sowie Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt, da diese Unterhaltspflichten vom Gesetz am schwächsten ausgestaltet sind.

Stufe 3:

Auf der letzten Stufe und damit der ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich steht der Zugewinnausgleich. Auf ihn können die Ehegatten am leichtesten verzichten, da er nicht an eine konkrete Bedarfslage anknüpft und eine Vermögensgemeinschaft nicht notwendiger Bestandteil der ehelichen Gemeinschaft ist.

Werden bei Abfassung eines Ehevertrages nicht nur die individuellen Vorstellungen der Ehegatten zur Regelung ihrer Scheidungsfolgen berücksichtigt, sondern auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Kernbereich der Scheidungsfolgen, können ehevertragliche Regelungen die ohnehin nicht einfache Trennungszeit insoweit erträglicher machen, als nicht auch noch über die Scheidungsfolgen gestritten werden muss und man sich sicher sein kann, dass der eigene Ehevertrag einer gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle standhält.

In seiner Entscheidung vom 20.06.2018 (XII ZB 84/17) hebt der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang hervor, dass mit der gerichtlichen Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen. Sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen nicht gegeben.

Für diejenigen also, die den Scheidungsfall gut geregelt wissen und Streit vermeiden wollen, ist der Abschluss eines Ehevertrages unabdingbar.

Nadine Mey

Nadine Mey

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Mediatorin (BAFM)