Familienrecht

Kann ein Ehegatte das gemeinsame Haus schon vor der Scheidung versteigern lassen?

- Dr. Karl Frick

Eheleute, die gemeinsam ein Haus gebaut oder erworben haben, streiten im Falle einer Trennung sehr oft darüber, wer in der Wohnung/im Haus verbleiben darf und ab wann die Auseinandersetzung/Teilung dieses Immobilienvermögens verlangt werden kann. Wenn man sich nicht einigt, sieht das Gesetz grundsätzlich eine sog. Teilungsversteigerung vor, infolgedessen jeder seinen Erlösanteil bekommt.

Es gibt nun Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die grundsätzlich die von einem Ehegatten noch bewohnte eheliche Immobilie bis zur Rechtskraft der Scheidung für unantastbar halten, d.h., die eheliche Immobilie könne vor der Scheidung nicht durch Versteigerung versilbert werden (so ausdrücklich OLG Hamburg, Beschluss vom 28.7.2017, 12 UF 163/16, NZFam 2018, S. 32 ff). Der Bundesgerichtshof hat sich zur Teilungsversteigerung in der Trennungszeit direkt noch nicht geäußert, allerdings in einem Streit über ein Herausgabeverlangen eines Ehegatten gegen den anderen Ehegatten, die Herausgabeklage ge-mäß § 985 BGB bezogen auf die vom anderen Gatten noch bewohnten Ehewohnung abgewiesen; der besondere Schutz der Ehewohnung bewirke eine Sperrwirkung gegenüber dem Herausverlangen (BGH Beschluss vom 10.3.2021, XII ZB 243/20, NJW 2021, S. 1527 ff).

Die Gegenansicht zum OLG Hamburg wird vom Oberlandesgericht Stuttgart vertreten. Eine Teilungsversteigerung sei während der Trennungszeit nicht ausgeschlossen; das Oberlandesgericht Stuttgart führt aus, dass in der Trennungszeit der Ehegatte nicht generell beschränkt sei über sein Vermögen zu verfügen und deshalb auch eine Versteigerung der gemeinsamen ehelichen Immobilie in die Wege leiten könne. Derjenige, der in der ehelichen Wohnung wohne können zu seinem Schutze beim Familiengericht beantragen, dass ihm die eheliche Wohnung zu Wohnzwecken nach Maßgabe des § 1361 b BGB (unbeschadet des Eigentums) zugewiesen werde. Zum Wohnen in der Trennungszeit bedürfe es nicht der Beibehaltung des Miteigentums; der in der Wohnung lebende Ehegatte könne sich gemäß den Voraussetzungen nach § 1361 b BGB genügend schützen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.10.2020, 15 UF 194/20, NJW 2021, S. 1892).

Erstaunlich ist, dass bis heute die Rechtsfrage um die Zulässigkeit einer Teilungsversteigerung vor Rechtskraft der Scheidung bzgl. einer vom Ehegatten noch bewohnten ehelichen Immobilie nicht abschließend geklärt ist. Die gegensätzlichen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung werden mit Argumenten aus völlig unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften begründet.

Wenn nun trotz der Argumentation des Bundesgerichtshofes mit seinem Hinweis auf den besonderen Schutz des räumlich-gegenständlichen Ehewohnungsbereichs (Beschluss vom 10.3.2021, s.o.) von einigen Autoren betont wird, dass die obige Eingangsfrage immer noch nicht abschließend vom BGH entschieden sei, deutet dennoch in der Sache einiges darauf hin, dass der Bundesgerichtshof die Antwort im Sinne des OLG Hamburg auf kurz oder lang geben wird. Es liegt nämlich die Schlussfolgerung nahe: wenn ein Ehegatte vom anderen Gatten nicht die bewohnte eheliche Wohnung vor der Scheidung nach § 985 BGB heraus verlangen kann, kann er sie ihm auch nicht durch Versteigerung entziehen.

Dr. Karl Frick

Dr. Karl Frick

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht