Familienrecht

Kann ein sorgeberechtigter Elternteil die Reise des Kindes in Reisegebiete mit hohen Corona-Inzidenzzahlen verweigern und verhindern?

- Jens Rinker

Die Inzidenzzahlen weltweit sinken – wenn auch nur langsam –. Urlaubsreisen für den Sommer 2021 sind möglich. Doch wer bereits jetzt schon bucht, könnte noch kurz vor dem Abflug sein blaues Wunder erleben, wenn der andere sorgeberechtigte Elternteil die Reise mit dem gemeinsamen Kind verweigert und auf die fehlende und erforderliche Zustimmung verweist.

Häufig besteht zwischen dauerhaft Getrenntlebenden Uneinigkeit darüber, ob das gemeinsame Kind, für welches gemeinsames Sorgerecht besteht, mit dem jeweils anderen Elternteil verreisen darf. Begründet wird dies häufig während der Corona-Krise damit, dass die Inzidenzzahlen im Reisegebiet hoch seien, Sorgeberechtigte und Kind noch keine Impfung erhalten hätten und nach der Rückreise eine Quarantänezeit von 2 Wochen zu erwarten sei.

Soweit Entscheidungen über „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ getroffen werden müssen, hat derjenige Sorgeberechtigte, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gemäß § 1687 BGB die Befugnis, diese Entscheidungen alleine zu treffen. Soweit alternativ hierzu „Angelegenheiten von erheblichen Bedeutung“ vorliegen, hat das Gericht gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis die Entscheidungsgewalt auf einen Elternteil zu übertragen.

Die Familiengerichte hatten in der Zeit vor der Corona-Krise konkrete Vorgaben für Urlaubsreisen gemacht, an denen sich Eltern orientieren konnten. So waren Reisen in gängige Urlaubsgebiete als „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ im Sinne des § 1687 BGB eingestuft worden. Soweit die konkrete Reiseplanung das Alter des Kindes angemessen berücksichtigt, stellt eine Reise keine „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ dar und eine Zustimmung des anderen Elternteils ist nicht erforderlich.

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die Reise einer Mutter mit dem 1-jährigen Sohn eine alltägliche Angelegenheit darstellt, da das Hotel sorgfältig ausgesucht worden sei und die Belange des Kindes hinreichend berücksichtigt wurden, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.5.2007, Az. 16 WF 83/07. Hingegen befand das OLG Köln, dass eine Reise der Mutter zu deren Mutter nach Russland für den gerade erst 2-jährigen Sohn keine alltägliche Angelegenheit darstelle, da weder das Alter des Kindes noch die Strapazen der Reise für das Kind „alltäglich“ und mit dem Kindeswohl vereinbar seien.

Bei den derzeit vorherrschenden Inzidenzwerten sind die bisherigen Vorgaben der Rechtsprechung wohl nicht mehr anwendbar. Ob eine Reise im Sommer 2021 als „Angelegenheit des täglichen Lebens“ eingestuft werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden. Reisende sollten daher bereits vor der Buchung überlegen und prüfen, ob eine Zustimmung des anderen Sorgeberechtigten erforderlich wird und diese – im Zweifel – einholen. Ob eine Verweigerung der Zustimmung zur Reise berechtigt ist, kann einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden.

Die Familiengerichte können die Entscheidungsbefugnis auf den jeweiligen Sorgeberechtigten übertragen.

Jens Rinker

Jens Rinker

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht