Arbeitsrecht

Neuerungen im Arbeitsrecht 2020 – was kommt Neues auf Unternehmen zu?

- Achim Wurster

Neues Jahr – neue Regeln: auch 2020 gibt es im Bereich des Arbeitsrechts neue gesetzliche Vorgaben, die Unternehmen kennen müssen. Vieles erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Dieser Beitrag soll eine erste Orientierungshilfe über die wichtigsten Neuerungen geben.

1. Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit 01.01.2020 9,35 € brutto pro Stunde. Besonders beachten müssen Sie dies bei Arbeitnehmern in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, da sich die maximal mögliche Arbeitszeit dadurch verringert. Rechnerisch können Sie Minijobber auf Mindestlohnbasis noch 48 Stunden im Monat beschäftigen.

Für Auszubildende wird es künftig eine Mindestvergütung geben. Diese beträgt im ersten Ausbildungsjahr monatlich 515,00 €. Diese steigert sich 2021 auf 550,00 €, 2022 auf 585,00 € und 2023 auf 620,00 €. Die Mindestvergütung steigt während der Ausbildung um 18 % im zweiten Jahr, 35 % im dritten und 40 % im vierten Ausbildungsjahr.

2. Arbeitszeiterfassung

Wir hatten ja bereits über das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 berichtet (<link de fachbeitraege was-muessen-arbeitgeber-nach-dem-eugh-urteil-zur-erfassung-der-arbeitszeit-beachten>www.kp-recht.de/de/fachbeitraege/was-muessen-arbeitgeber-nach-dem-eugh-urteil-zur-erfassung-der-arbeitszeit-beachten/), die Mitgliedstaaten Unternehmen dazu verpflichten müssen, die Arbeitszeit und Pausen ihrer Arbeitnehmer vollständig aufzuzeichnen. Eine unmittelbare Rechtsfolge für Unternehmen ergibt sich aus der Entscheidung zunächst nicht, jedoch ist der Gesetzgeber gefordert, das ArbZG an diese Vorgaben des EuGHs anzupassen. Eine Äußerung des Bundesarbeitsministeriums hierzu fehlt bisher, so dass man hier abwarten muss, welche Änderungen der Gesetzgeber vornehmen wird.

Wie bereits in unserem oben verlinkten Beitrag ausgeführt, sind Unternehmen gut beraten, bereits im Vorgriff sich mit der Thematik Arbeitszeiterfassung zu beschäftigen und für das Unternehmen sinnvolle und gangbare Lösungen zu suchen und zu entwickeln.

3. A1-Bescheinigungen

A1-Bescheinigungen waren 2019 ein heißes Eisen, da nach gültiger Rechtslage bei jeder noch so kurzen Auslandsentsendung von Arbeitnehmern eine solche erforderlich war. Dies betraf insbesondere Dienstreisen in ein anderes Land.

Dies wird auch 2020 weiter so sein. Allerdings ist das Antragsverfahren verschlankt worden. Ferner werden die Entgeltabrechnungsprogramme Antragsnachweise erstellen können, aus denen hervorgeht, dass der Arbeitgeber vor der Entsendung einen Antrag auf eine A1-Bescheinigung gestellt hat und Arbeitnehmer diesen Nachweis vorzeigen können. Dadurch sollen kurzfristige Entsendungen bis zu einer Woche erleichtert werden.

Im Übrigen wird man abwarten müssen, ob die Pläne in der EU, die den Wegfall der Beantragung einer A1-Bescheinigung für Dienstreisen ins EU-Ausland vorsehen in diesem Jahr vorankommen. Wünschenswert wäre es allemal.

4. Mitteilung von Arbeitgeberentscheidungen über Teilzeitanträge

Bisher mussten Arbeitgeber Entscheidungen über einen Teilzeitantrag schriftlich – also mit eigenhändiger Unterschrift – mitteilen. Der Gesetzgeber vereinfacht dies nun und lässt für Mitteilungen des Arbeitgebers nach dem TzBfG ab dem 01.01.2020 die Textform ausreichen.

Dies wird die Administration erheblich erleichtern, da nun auch z.B. E-Mails ausreichen, um einen Teilzeitwunsch abzulehnen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.

5. Vereinfachungen beim Datenschutz

Die Pflicht, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu benennen, greift nunmehr erst ab 20 regelmäßig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigter Personen. Nach der bisherigen Rechtslage waren es 10.

Die Einwilligung von Beschäftigten zur Datenverarbeitung kann künftig auch per E-Mail erfolgen.

6. EU-Entsenderichtlinie

Bis zum 30.05.2020 muss der Gesetzgeber die am 29.07.2018 in Kraft getretene „EU-Entsenderichtlinie“ (RL (EU) 2018/957) in nationales Recht umsetzen. Ein erster Entwurf liegt seit November 2019 vor.

Danach sollen künftig mehr anwendbare Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Staates, in den Arbeitnehmer entsandt werden, Anwendung finden. Der Begriff der „Entlohnung“ umfasst künftig alle Entlohnungsbedingungen.

Bundesweit allgemeinverbindliche Tarifverträge sollen künftig nicht mehr nur im Baugewerbe, sondern in allen Branchen nach dem AEntG auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland Anwendung finden, wenn sie Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.

Der Entwurf sieht auch eine Gleichstellungsklausel für Arbeitnehmer, die mehr als 12 bzw. 18 Monate entsendet sind, vor. Diese sollen künftig grundsätzlich in den Genuss aller Arbeitsbedingungen kommen, die in Deutschland in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind – vergleichbar mit dem Grundsatz equal pay und equal treatment im Bereich der Leiharbeit.

Relevant wird eine Übergangsbestimmung, wonach Beschäftigungszeiten vor dem 30.07.2020 auf diese Fristen für die Ermittlung der Langzeitentsendung angerechnet werden. Die wesentliche Neuerung liegt jedoch darin, dass z.B. Beschäftigungen im Inland, deren Dauer acht Tage innerhalb eines Jahres nicht übersteigt oder vorübergehende Beschäftigungen ohne Werk- bzw. Dienstleistung (z.B. Verhandlungen, Fortbildungen, Messebesuche, Besprechungen) nicht unter den Anwendungsbereich des AentG fallen sollen.

7. Entlastung von Betriebsrentnern in der Krankenversicherung

Dass Betriebsrentner auf ihre Versorgungsbezüge die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abführen müssen, ist seit über einem Jahrzehnt nun eine nochemotionale Frage. Zahlreiche Entscheidungen des BSG und auch des BVErfG haben im Kern diese Regelung, die von vielen als unfair empfunden wird, immer wieder bestätigt. Nun hat der Gesetzgeber seine Ankündigung im Koalitionsvertrag, Betriebsrentner zu entlasten, umgesetzt. Herausgekommen ist – gemessen an den vollmundigen Ankündigungen – aber nur ein laues Lüftchen.

Es gilt nun ein dynamischer Freibetrag in Höhe von 159,25 €. Das bedeutet, dass alle Betriebsrenten erst ab diesem Betrag verbeitragt werden. Der Freibetrag soll jährlich an die Lohnentwicklung angepasst werden. Nach Berechnungen sollen dadurch ca. 60 % der Betriebsrentner maximal den halben statt wie bisher den vollen Krankenkassenbeitrag zahlen müssen. Denn diese würden angeblich maximal den doppelten Freibetrag an Betriebsrente erhalten, so dass das Arbeitsministerium allen Ernst behauptet, die Zusage aus dem Koalitionsvertrag voll umgesetzt zu haben. Fazit: je höher die Betriebsrente, desto weniger haben die Betriebsrentner von der Beitragsersparnis. Die gefühlten Ungerechtigkeiten werden jedenfalls diese Reform nicht beseitigen, abgesehen davon, dass die Pflegeversicherung hierbei völlig außen vor ist, es also hier beim vollen Beitrag bleibt. Wichtig: von dem Freibetrag profitieren auch Betriebsrentner, deren Rentenbezug vor 2020 begonnen hat oder deren Kapitalauszahlung weniger als 10 Jahre zurückliegt.

8. Zuzug ausländischer Fachkräfte – Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Am 01.03.2020 tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Mit dem Gesetz wird der Arbeitsmarkt für Fachkräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union vollständig geöffnet. Bisher hatten nur akademisch ausgebildete Fachkräfte unbeschränkten Arbeitsmarktzugang. Künftig können auch Fachkräfte mit einer ausländischen beruflichen Qualifikation in allen Berufen ein Visum oder einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung erhalten. Die Beschränkung auf Engpassberufe entfällt.

Um ein Visum oder einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung zu erhalten, müssen die Bewerber die Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation feststellen lassen und ein konkretes Arbeitsplatzangebot nachweisen. Jede qualifizierte ist Tätigkeit erlaubt, zu der die Qualifikation befähigt. Die Bundesagentur für Arbeit prüft, ob die Beschäftigungsbedingungen denen vergleichbarer inländischer Arbeitnehmer entsprechen. Eine Vorrangprüfung wird nicht mehr durchgeführt.

Außerdem werden die Möglichkeiten des Aufenthalts zur beruflichen Anerkennung und zur Arbeitsuche erweitert. Mit dem beschleunigten Fachkräfteverfahren soll das Visumverfahren schneller und planungssicherer werden. Voraussetzung ist eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der örtlich zuständigen Ausländerbehörde. Sobald alle Unterlagen vorliegen und die Ausländerbehörde die Zustimmung zur Einreise erteilt hat, erhält die Fachkraft innerhalb von drei Wochen einen Termin in der Auslandsvertretung und innerhalb weiterer drei Wochen das Visum.

9. Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität

Seit dem 15.08.2019 existiert ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität. Ziel ist es, sog. Verbandsstraftaten (juristische Personen wie die GmbH oder AG) rechtlich auf eine neue Grundlage zu stellen. Nach bisherigem besteht nur die Möglichkeit, aus Verbänden heraus begangene Straftaten gegenüber diesem mit einer Geldbuße nach OWiG zu ahnden. Strafrechtlich verantwortlich kann immer nur eine Einzelperson sein. Das soll sich künftig ändern. Welche konkreten Maßnahmen am Ende im Gesetz stehen werden, bleibt abzuwarten. Aber es ist bereits absehbar, dass Compliance-Maßnahmen sich mildernd auswirken werden. Dies betrifft insbesondere auch interne Ermittlungen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)