Steuerrecht

Rückwirkende Erbschaftsteuerpflicht beim Familienheim

- Ellen Steinacker

– eine Steuerfalle (BFH, Urt. v. 11.7.2019 – II R 38/16)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch seine höchstrichterliche Rechtsprechung die erbschaftsteuerliche Befreiung von Familienheimen eingeschränkt. Die Rechtsprechung birgt für den Steuerpflichtigen nicht zu unterschätzende Risiken.

Die Ausgangslage

Im Erbschaftsteuergesetz ist in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG eine ausdrückliche Steuerbefreiung für sogenannte Familienheime vorgesehen.

Ein Familienheim ist ein im Regelfall im Inland bebautes Grundstück, auf dem der Erblasser bis zu seinem Tod eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Der Erwerber muss das Grundstück von Todes wegen erwerben und unverzüglich selbst diese Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzen, damit er in den Genuss der gesetzlichen Steuerbefreiung kommt.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird der Erwerb des Grundstücks erbschaftsteuerrechtlich vollständig steuerfrei gestellt.

Allerdings lässt Satz 5 der Vorschrift die Steuerbefreiung rückwirkend entfallen (Nachversteuerungstatbestand), wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Bei einem Verstoß gegen diese zehnjährige Behaltensfrist erfolgt die Nachversteuerung rückwirkend für den vollen Wert des Familienheims. Der Wert des Erwerbs wird also nicht anteilig für die bereits abgelaufene Zeit abgeschmolzen.

Der Fall

Die Klägerin war testamentarische Alleinerbin ihres Ehemannes. In den Nachlass fiel auch das Miteigentum am sogenannten Familienheim, welches vom Erblasser gemeinsam mit der Klägerin bewohnt wurde. Nach dem Tod des Erblassers bewohnte die Klägerin das Familienheim auch weiterhin. Das beklagte Finanzamt stellte daher den Erwerb von Todes wegen steuerfrei.

Die Klägerin übertrug aber sodann durch notariellen Vertrag das Grundstück schenkungsweise an ihre Tochter und räumte sich gleichzeitig einen lebenslangen Nießbrauch am Grund-stück ein. Die Klägerin blieb zugleich in dem Haus wohnen. Das Finanzamt änderte daraufhin dann aber die Erbschaftsteuerfestsetzung mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Nachversteuerungstatbestands vorliegen und daher für das Grundstück Erbschaftsteuer abzuführen sei. Die Klägerin erhob hiergegen Klage, da sie das Familienheim weiterhin zu ihren Wohnzwecken nutzte.

Die Entscheidung

Der BFH schloss sich der Rechtsauffassung des in der ersten Instanz entscheidenden Finanzgerichts Münster an und bestätigte, dass die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims rückwirkend entfällt, wenn die Erbin das Familienheim zwar weiterhin zur eigenen Wohnzwecken nutzt, es aber unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter überträgt.

In der Entscheidung räumte der BFH zwar ein, dass sich dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG bei isolierter Betrachtung nicht ausdrücklich entnehmen lasse, ob durch die Aufgabe des Eigentums an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb durch den überlebenden Ehegatten die Steuerbefreiung rückwirkend entfalle, wenn jener das Familienheim weiter zu Wohnzwecken selbst nutze. Der BFH stützt sich aber gleichwohl auf denen Begriff „Erwerb“ in der Vorschrift. Der Begriff habe nicht nur zeitliche Bedeutung, sondern bringe vielmehr gerade zum Ausdruck, dass ein Fortbestehen des durch den Erwerb geschaffenen Rechtszustandes und damit auch das Fortbestehen des Eigentums des überlebenden Ehegatten Voraussetzung für die Steuerbefreiung sei. Der BFH führt daneben insbe-sondere auch noch den Sinn und Zweck der Vorschrift ins Feld. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Vorschrift die Substanz des Familienvermögens schützen und erhalten. Dies könne jedoch nur erfolgen, wenn auch das Eigentum oder Miteigentum beim Erwerber bleibe und das Familienheim nicht nur weiterhin vom Erben zu eigenen Wohnzwecken selbst genutzt werde.

Die Vorschrift birgt damit für den juristischen Laien nicht auf den ersten Blick erkennbare Risiken. Entsprechende Gestaltungen können sich rückwirkend ohne ausreichende rechtliche Beratung als wahre Steuerfalle erweisen.

Ellen Steinacker (LL.M.)

Ellen Steinacker (LL.M.)

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwältin für Steuerrecht
Betriebliche Datenschutzbeauftragte (IHK)