Arbeitsrecht, Sozialrecht

Sozialversicherungspflicht eines Transportfahrers

- Achim Wurster

Das Problem

Vielfach findet man in der Arbeitswirklichkeit selbstständige Transport-, Kurier- oder Busfahrer. Diese haben meistens mehrere Auftraggeber, für die sie in unterschiedlichem Umfang tätig sind. In aller Regel besitzen sie kein eigenes Fahrzeug, sondern nutzen die vom Auftraggeber gestellten Fahrzeuge.

In letzter Zeit sind diese Fälle vermehrt Gegenstand von Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung geht in diesen Fällen regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung aus, die zu Sozialversicherungspflicht und damit der Pflicht des Auftraggebers, Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen, führt.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat am 22.06.2020 - L 8 BA 78/18 entschieden, dass ein Fahrer, der ohne eigenes Fahrzeug Transportfahrten für ein Transportunternehmen erbringt, grundsätzlich abhängig beschäftigt und nicht selbstständig tätig ist. Nach dem Landessozialgericht kommt dem Fehlen eines eigenen Fahrzeugs bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit eine mehrfache Indizwirkung zu.

Rechtlicher Hintergrund

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

Der Fall

Der Kläger ist selbstständiger Landwirt. Daneben führte er für verschiedene Auftraggeber Transportfahrten durch. Diese erfolgten unregelmäßig für meistens wenige Tage zu festen Tagessätzen. Dabei nutzte der Kläger einen im Eigentum des Transportunternehmens stehenden Lkw. Die Deutsche Rentenversicherung stellte bei einer Betriebsprüfung die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer fest.

Das Urteil

Die dagegen gerichtete Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos.

Maßgeblich war für das Landessozialgericht, dass Transportfahrten regelmäßig und ganz wesentlich das Vorhandensein und die Nutzung eines Transportfahrzeugs voraussetzen. Soweit ein im Transportgewerbe tätiger Auftragnehmer nicht über ein eigenes Fahrzeug verfügt, sondern dieses kostenfrei vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt bekommt, spricht dies maßgeblich gegen eine selbstständige Tätigkeit.

Denn die Nutzung des Betriebsmittels des Auftraggebers mündet in eine Eingliederung in dessen Betriebsorganisation. Zum anderen besteht beim Auftragnehmer gerade kein Investitionsrisiko als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Auch kann der Auftragnehmer mangels eigenen Fahrzeugs keine unternehmerischen Gestaltungsspielräume für eine anderweitige Tätigkeit am Markt des Warentransports außerhalb einer abhängigen Beschäftigung als Transportfahrer nutzen.

Der Kläger unterlag bei der Durchführung der jeweiligen Transporteinsätze einem weitreichenden Weisungsrecht des Auftraggebers. Er hat die Fahrten nach Anweisung durch den Auftraggeber durchgeführt und unterlag dabei dessen Disposition in derselben Weise unterlegen wie die beim Auftraggebers angestellten Fahrer. Dass er im Vorfeld einen Auftrag annehmen oder ablehnen konnte, war insoweit für das Landessozialgericht nicht relevant.

Folgen für die Praxis

Unternehmen sollten bei derartigen Konstellationen Vorsicht walten lassen. Insbesondere sollten vertragliche Gestaltungen sorgfältig rechtlich geprüft werden und der sozialversicherungsrechtliche Status anschließend in dem dafür extra vorgesehenen Anfrageverfahren gemäß § 7a SGB IV abgeklärt werden.

Die Risiken, dass im Rahmen der Betriebsprüfung eine nachträgliche Statusentscheidung gefällt wird, sind erheblich. So ist der Auftraggeber in diesen Fällen in aller Regel verpflichtet, nicht gezahlte Beiträge für mindestens 4 Jahre rückwirkend zu bezahlen. Sollte man dem Auftraggeber sogar Vorsatz nachweisen können, reicht die Nachzahlungspflicht 30 Jahre zurück. Ebenfalls drohen erhebliche strafrechtliche Konsequenzen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)