Eine kurze Darstellung des Beschlusses des ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007, Aktenzeichen 1 BvL 9/04
Der Leitsatz dieser bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lautet:
„Es verstößt gegen Art. 6 Abs. 5 GG, die Dauer eines Unterhaltsanspruchs, den der Gesetzgeber einem Elternteil wegen der Betreuung seines Kindes gegen den anderen Elternteil einräumt, für eheliche und nichteheliche Kinder unterschiedlich zu bestimmen.“
Nach der bisherigen Rechtslage kann ein geschiedener Elternteil gem. § 1570 BGB von dem früheren Ehegatten Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Übereinstimmend geht die Rechtsprechung davon aus, dass bis zum Alter eines Kindes von acht Jahren beziehungsweise bis zum Ende seiner Grundschulzeit für den betreuenden Elternteil keine Erwerbsobliegenheit besteht.
Die Süddeutschen Leitlinien sehen in Ziffer 17.1 ausdrücklich eine Erwerbsobliegenheit des berechtigten, betreuenden Ehegatten erst vor, wenn das jüngste Kind in die dritte Grundschulklasse kommt. Ab Beginn der dritten Grundschulklasse bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres des jüngsten Kindes besteht in der Regel eine Obliegenheit zur teilweisen, danach zur vollen Erwerbstätigkeit. Davon kann jedoch abgewichen werden, vor allem bei mehreren Kindern oder bei Fortsetzung einer bereits vor der Trennung nicht wegen einer Notlage ausgeübten Tätigkeit. Das bedeutet, dass der Elternteil (das kann die Mutter, aber durchaus auch der Vater sein), der ein minderjähriges Kind betreut, in der Regel solange einen Unterhaltsanspruch hat, wie seine eigenen Einkünfte hinter den Einkünften des anderen Elternteils zurückbleiben.
Demgegenüber ist der in § 1615 l BGB normierte Anspruch eines Elternteils, der ein nichteheliches Kind betreut und deshalb einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, deutlich schwächer ausgestaltet. Die Verpflichtung des anderen Elternteils zur Gewährung von Unterhalt an den betreuenden Elternteil endet gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB im Regelfall spätestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes.
Diese unterschiedliche Regelung der Dauer des Unterhaltsanspruchs eines kinderbetreuenden Elternteils ist nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie verstößt gegen das in Art. 6 Abs. 5 GG an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, nichtehelichen Kindern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts auf eine Vorlage des Oberlandesgerichts Hamm.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2008 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung kommen die bestehenden Regelungen weiter zu Anwendung.
Für die Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands stehen dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. So kann er eine Gleichbehandlung der Regelungssachverhalte durch eine Änderung des § 1615 l BGB (Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes), durch eine Änderung von § 1570 BGB (Unterhaltsanspruch des geschiedenen Elternteils, welcher gemeinsame minderjährige Kinder betreut) oder durch eine Neuregelung beider Sachverhalte vornehmen. Dabei hat er nur in jedem Fall einen gleichen Maßstab hinsichtlich der Dauer des Betreuungsunterhalts bei nichtehelichen und ehelichen Kindern zugrunde zu legen.
Welche Möglichkeit der Gesetzgeber wählen wird, kann derzeit nicht eingeschätzt werden. So soll zum 1. Juli 2007 eine umfassende Reform des Unterhaltsrechts in Kraft treten, die sich allerdings nur mit der Neuregelung der nachehelichen Unterhaltsansprüche beschäftigt. Eine Änderung der Unterhaltsansprüche der Mutter eines nichtehelichen Kindes war bislang nicht geplant.
Im Einzelfall empfiehlt es sich daher, bereits jetzt anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um gegebenenfalls vorsorglich die Unterhaltsansprüche geltend zu machen.
(Stand: Juni 2007)