Arbeitsrecht

Vergütung von Überstunden bei „Besserverdienern“

- Irma Benzing

Worum geht es?

In dem vom LAG Düsseldorf (Urteil vom 23.09.2020 – 14 Sa 296/20) entschiedenen Fall ging es um die Vergütung von Überstunden eines Gebietsverkaufsleiters. Dieser beanspruchte vor Gericht die Vergütung von 3010,5 Überstunden, welche er in den Jahren 2016 – 2019 geleistet haben soll. Zentrales Thema in dieser Entscheidung war, ob der Arbeitgeber überhaupt verpflichtet war, Überstunden zu bezahlen oder ob diese mit dem Gehalt eines Gebietsverkaufsleiters abgegolten waren.

Der Fall (verkürzt):

Der Arbeitnehmer arbeitete als Gebietsverkaufsleiter für seine Arbeitgeberin, welche mehrere Autowerkstätten betreibt. Die monatliche Vergütung betrug zuletzt 6.657,08 € zuzüglich einer jährlichen Prämie und zuzüglich einem Dienstwagen, den der Arbeitnehmer auch privat nutzen durfte. Vereinbart war außerdem eine 40-Stunden-Woche.

Dem Arbeitnehmer oblag im Rahmen seiner Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter die Betreuung von 12 Filialen, die der Arbeitnehmer von seiner Wohnung aus anfuhr. Bürotätigkeiten führte er im Homeoffice aus.

Im Arbeitsvertrag der Parteien hieß es hinsichtlich der Bezahlung von Überstunden: „§ 2. Gehalt. (…) Mit dem Gehalt ist etwaige Mehrarbeit, soweit sie gelegentlich oder regelmäßig anfällt, abgegolten. (…)“

Der Arbeitnehmer erfasste seine tägliche Arbeitszeit in einem Programm der Arbeitgeberin. Aus den Aufzeichnungen ergaben sich Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie schlagwortartig Art und Ort der Tätigkeit.

Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2020 aus betriebsbedingten Gründen. Die von dem Arbeitnehmer gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage endete durch Vergleich. Offen blieben die streitgegenständlichen Ansprüche auf Überstundenvergütung. Der Arbeitnehmer klagte die Vergütung von 3010,5 Überstunden ein, was einer Gesamtvergütung i. H. v. 115.633,30 € entspricht.

Die Entscheidung

Das Gericht gab der Klage nur teilweise i. H. v. 26.442,40 € statt. Dieser Betrag entspricht den Überstunden, welche der Arbeitnehmer über die nach § 3 ArbZG im Ausgleichszeitraum höchstzulässige Arbeitszeit geleistet hat. Im Übrigen wies das LAG die Klage ab, da für die geleisteten Überstunden keine Vergütungsvereinbarung bestand.

Das Gericht wies die Klage aber nicht wegen § 2 des Arbeitsvertrages ab. Diese Klausel war nämlich unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Klausel im Arbeitsvertrag, welche eine pauschale Vergütung von Überstunden regelt, nur dann wirksam, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall gewesen, sodass die Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam ist.

Dem Arbeitnehmer stehen die geltend gemachten Überstunden – bis auf den klagestattgebenden Betrag – dennoch nicht zu.

Da der Arbeitsvertrag keine Regelung zu geleisteten Überstunden enthält (die vorhandene Regelung ist unwirksam), richtet sich die Vergütung von Überstunden nach dem Gesetz, d. h. nach § 612 Abs. 1 BGB. Dort heißt es:

„Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“

Daraus folgt aber nicht, dass jede Überstunde zwangsläufig zu einer Vergütung führt. Vielmehr ist die Vergütungserwartung anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander zu beurteilen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt.

Eine Vergütungserwartung fehlt nach der Rechtsprechung in der Regel dann, wenn eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer eine Vergütung erhält, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Arbeitnehmer nach der Erfüllung ihrer Aufgaben und nicht eines Stundenlohns beurteilt werden. Es fehlt daher regelmäßig an einer objektiven Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

Aus diesem Grund stand dem Kläger die von ihm beanspruchte Vergütung von Überstunden nicht in voller Höhe zu.

Anders bei Überschreiten der gesetzlich höchstzulässigen Arbeitszeit

Das Gericht sprach dem Arbeitnehmer aber immerhin Vergütung für über die gesetzlich höchstzulässig geleistete Arbeitszeit nach § 3 ArbZG zu. Das Gericht stellte klar, dass die Vergütungserwartung nur für die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit im Ausgleichszeitraum nach § 3 ArbZG ausgeschlossen ist. Für die darüber hinausgehende Arbeitszeit gelten die obigen Grundsätze nicht.

Der Arbeitnehmer musste zwar erwarten, dass er für die überdurchschnittlich hohe Vergütung auch Überstunden zu leisten habe, er durfte aber auch erwarten, dass er diese nur in dem gesetzlich zulässigen Maße leisten müsse. Arbeitgeber sind schon gar nicht befugt, Arbeitsleistung über die gesetzlich höchstzulässige Arbeitszeit zu verlangen und Arbeitnehmer dürfen diese auch nicht anbieten. Das bedeutet, dass die maximale Gegenleistung für die herausgehobene Vergütung des Arbeitnehmers die gesetzlich höchstzulässige Arbeitszeit ist. Aus diesen Gründen kann die grundsätzlich bestehende objektive Vergütungserwartung gem. § 612 Abs. 1 BGB nicht unter Verweis auf eine deutlich herausgehobene Vergütung ausgeschlossen werden, wenn die Höchstarbeitszeit überschritten wird. Deshalb sah das Gericht für diese Überstunden die objektive Vergütungserwartung als gegeben, weshalb es dem Arbeitnehmer immerhin eine Vergütung i. H. v. knapp 25.000,00 € zusprach.

Für die Praxis

Das Urteil enthält sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber wichtige Leitsätze und Hinweise für den Umgang mit Überstunden. Arbeitgeber sollten bei der Formulierung von Überstundenabgeltungsklauseln die Vorgaben der Rechtsprechung an entsprechende Klauseln beachten und sich ggf. rechtlich beraten lassen. Außerdem sollten Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter im Auge behalten, um spätere Auseinandersetzungen in Bezug auf geduldete Überstunden zu vermeiden. Arbeitnehmer müssen bei der Geltendmachung von Überstundenvergütung diese ganz konkret darlegen können und zwar nach Zeit, Art und Grund für die Überstunden. Andernfalls könnte die Geltendmachung an der Beweisbarkeit scheitern.

Irma Benzing

Irma Benzing

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht