Medizinrecht, Versicherungsrecht

Zur Frage der Zulässigkeit einer Privatliquidation bei GKV-Patienten

- Ulrike Scheible

Das Sozialgericht München hatte im April 2021 die Frage zu entscheiden, ob ein gegen einen Augenarzt verhängter Disziplinarbescheid mit einer Geldbuße von 2.500 € rechtmäßig ist (vgl. SG München, Urteil vom 23.04.2021, AZ. S 28 KA 116/18).

In diesem Fall war es so, dass eine gesetzlich krankenversicherte Patientin wegen akuter Beschwerden am Auge eine Augenarztpraxis aufsuchte. Das zuständige Praxispersonal fragte vor der Behandlung ab, ob die Patientin in diesem Quartal bereits bei einem anderen Augenarzt in Behandlung gewesen sei, was die Patientin bejahte. Daraufhin teilte man ihr mit, dass eine Behandlung nur dann möglich sei, wenn sie die Behandlung selber zahle und eine Vereinbarung zur privatärztlichen Behandlung unterzeichne. Die Patientin stimmte dieser Vorgehensweise zu, worauf sich dann die augenärztliche Behandlung mit privatärztlicher Liquidation anschloss.

Die Patientin wandte sich nach erfolgter Behandlung unter anderem an die zuständige kassenärztliche Vereinigung, welche ein Disziplinarverfahren gegen den behandelnden Arzt einleitete und eine Geldbuße verhängte. Zur Begründung führte die Kassenärztliche Vereinigung an, der Arzt habe gegen das Sachleistungsprinzip verstoßen und eine unzulässige Doppelabrechnung vorgenommen.

Das Gericht sah die Verhängung einer Geldbuße als rechtmäßig an. Die erfolgte Behandlung aufgrund einer abgeschlossenen Privatvereinbarung verstoße gegen das Sachleistungsprinzip sowie die Vorschrift des § 128 Absatz 5a SGB V. Die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 2.500 € sei daher angemessen.

Nach dem Sachleistungsprinzip hat der Arzt seine Leistung als Sachleistung zu erbringen. Das bedeutet, dass ein Kassenpatient gänzlich kostenfrei zu behandeln ist. Gemäß § 13 Abs. 7 Satz 3 BMV-Ä darf ein Vertragsarzt, sofern kein Fall des § 14 Abs. 7 S. 1, 2 BMV-Ä vorliegt, die Behandlung eines GK-Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen. Eine kapazitätsmäßige Überlastung des Arztes kann einen begründeten Ablehnungsgrund darstellen. Im vorliegenden Fall lag eine solche Überlastung aber gerade nicht vor, denn ansonsten hätte der Arzt keine Zeit gehabt, bei der Versicherten am selben Tag eine privatärztliche Behandlung durchzuführen. Des Weiteren liegt in dieser Vorgehensweise auch ein Verstoß gegen § 128 Absatz 5a SGB V vor, wonach Vertragsärzte gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten verstoßen, wenn sie unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen. Der behandelnde Arzt verschwieg der Patientin die Tatsache, dass ihr eine Behandlung nach dem Sachleistungsprinzip über die GKV zustehe. Dadurch kam es zu einer unzulässigen Doppelabrechnung.

Praxistipp: Bei der Behandlung von GKV Patienten sollte der Einsatz einer Vereinbarung über die Abrechnung privatärztlicher Leistungen genau geprüft werden. Vertragliche Vereinbarungen sind gerade dann nicht möglich, wenn der Patient im Rahmen des Leistungskataloges der GKV einen Anspruch auf Behandlung hat. Die Patienten sind entsprechend über ihren Behandlungsanspruch aufzuklären. Sollte eine Ablehnung der Behandlung notwendig sein, bedarf es einer Begründung. Eine kapazitätsmäßige Überlastung kann als Begründung angeführt werden. Allerdings darf stattdessen keine Privatbehandlung durchgeführt werden.

Ulrike Scheible

Ulrike Scheible

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht