Bau- und Architektenrecht

Zur Haftung des Auftragnehmers für die fehlende Funktionstauglichkeit seines Werkes

- Daniel Krummacher

Ein altes deutsches Sprichwort besagt: „Was im Kuhstall geschieht, weiß der Ratsschreiber nicht.“ Das scheint für Schweineställe indes nicht zu gelten. Denn mit einem solchen hatten sich das Landgericht Stade (3 OH 7/12, selbständiges Beweisverfahren; direkt anschließend 3 O 248/16, Urteil vom 19. Juli 2018), das Oberlandesgericht Celle (8 U 188/18, Urteil vom 01. März 2019, veröffentlicht unter IBRRS 2020, 2745) und hernach der Bundesgerichtshof (VII ZR 57/19, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschluss vom 15. Januar 2020) zu beschäftigen. Anlass dafür war buchstäblich „dicke Luft“ im Schweinestall. Was war geschehen?

Der Fall

Ein Landwirt war mit der Funktionsweise und den Ergebnissen der Lüftungsanlage seines Schweinemastbetriebs unzufrieden. Die Mastanlage war ursprünglich mit einer nach dem Prinzip der Unterdruckzwangslüftung ausgestatteten Lüftungsanlage ausgestattet. Bei dieser wurde die Abluft über Ventilatoren nach außen geführt. Durch den so entstehenden Unterdruck wurde Frischluft über Zuluftkamine und -schächte eingezogen. Der Außenableitung war ein Biofilter vorgebaut.

Er bat deshalb einen Fachunternehmer, sich die Örtlichkeit anzusehen. Der Unternehmer besichtigte die Örtlichkeit und empfahl schließlich eine Ertüchtigung nur der Zuluft: Deren System sei fehlerhaft geplant und so nicht mehr funktionsfähig. Die Abluftführung weise dagegen nur geringe Mängel auf, sei zwar verbesserungswürdig, aber entspreche dem Stand der Technik der meisten Lüftungsbauern.

Der Landwirt beauftragte sodann den Unternehmer mit der Ertüchtigung des vorhandenen Zuluftsystems. Nach Abschluss der Arbeiten und vollständiger Bezahlung des Werklohns wiesen sich die Umbauten allerdings nicht zur Zufriedenheit des Landwirts. Er beanstandete „große Schwankungen“ und beklagte das Auftreten von Krankheiten bei den Tieren. Er verlangte die Beseitigung dieser Mängel.

Mehrere vom Unternehmer unternommene Mangelbeseitigungsversuche blieben daraufhin erfolglos. Der Landwirt leitete deshalb zunächst ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem der gerichtliche Sachverständige Mängel (u.a. Zurückbleiben der Luftwechselrate hinter die Vorgaben der DIN 18910)) und geschätzte Beseitigungskosten von ca. 24.000 EUR feststellte. Er diagnostizierte einen „Systemfehler“ der Lüftungsanlage: Die (bestehenden) Abluftkanäle und Ventilatoren waren für das neue Zuluftsystem nicht hinreichend dimensioniert, außerdem schlossen die Abtrennungen im Gebäude nicht dicht; zudem seien die Zu- und Abluftkanäle verschmutzt gewesen.

Die Entscheidung des Landgerichts

Die daraufhin erhobene Klage des Landwirts wies das Landgericht zunächst mit der Begründung ab, der Unternehmer habe die Lüftung vereinbarungsgemäß umgebaut. Werkmängeln des Zuluftsystems lägen keine vor; Funktionsfehler, die ihre Ursache in der Ablufttechnik hätten, begründeten keine Gewährleistungsansprüche gemäß §§ 631, 633, 634 BGB.

Dagegen legte der Landwirt mit der Begründung Berufung ein, dass Gegenstand Auftrags keineswegs isolierte Arbeiten an der Zuluft waren, sondern die Erstellung eines funktionstauglichen und dem Stand der Technik entsprechenden Lüftungssystems. Parallel dazu ließ er seine Lüftungsanlage durch eine Dritte auf eine sog. „Ganglüftung“ umstellen und machte die Erstattung der Kosten für die Selbstvornahme geltend, §§ 634 Nr. 2, 637 BGB.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dieser Argumentation folge das Oberlandesgericht: Der vereinbarte Werkerfolg, nämlich die Herbeiführung einer bestimmten Beschaffenheit des Werkes (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB), hier das – nach Vertragsauslegung –Erreichen der vereinbarten Funktion („funktionaler Mangelbegriff“), sei nicht erzielt worden. Geschuldet gewesen sei ein insgesamt funktionierendes Lüftungssystem. Von der vereinbarten Beschaffenheit sei abgewichen worden, da der mit dem Vertrag verfolgte Zweck nicht erreicht wurde und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllte (mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 08. November 2007 – VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110). Der Unternehmer hafte nur dann nicht für die fehlende Funktionstauglichkeit, wenn der Mangel auf verbindliche Vorgaben des Bestellers zurückzuführen sei und er den Besteller in Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht (vgl. BGH, Urt. v. 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10 = BauR 2011, 869-871) auf die Bedenken gegen eine solche Anordnung hingewiesen, dieser aber gleichwohl auf der untauglichen Ausführung bestanden habe (BGH, Urt. v. 29. September 2011 – VII ZR 87/11). Dem Landwirt habe zudem ein Recht zur Selbstvornahme zugestanden, § 637 BGB, da der Landwirt dem Unternehmer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe.

Die gegen das zusprechende Urteil des OLG gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Unternehmers wies der Bundesgerichtshof zurück.

Rückschlüsse für die Praxis

Damit bleibt festzuhalten, dass es zur Bestimmung des werkvertraglich geschuldeten Erfolgs nicht nur auf das buchstäbliche Angebot ankommt, sondern dass daneben oder überlagernd eine vorausgesetzte Funktion für das Werk vereinbart worden sein kann. Dies gilt unabhängig davon, ob eine bestimmte Ausführungsart vereinbart wurde. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urt. v. 29. September 2011 – VII ZR 87/11).

Ein Unternehmer, der einen solchen bestimmten Erfolg zu einem Pauschalpreis versprochen hat, kann unter Umständen an dieser Zusage festgehalten werden, wenn sich die beabsichtigte Ausführungsart als unzureichend erweist und deshalb erheblich aufwendigere Maßnahmen erforderlich werden (BGH, Urt. v. 25. Januar 2007 – VII ZR 41/06).

Fußt die Kalkulation des Unternehmers dagegen auch auf dem Leistungsverzeichnis des Bestellers, können notwendige Zusatzarbeiten gesondert zu vergüten sein. Das gilt auch, wenn auf Anregung des Auftragnehmers nicht nur ein Leistungserfolg, sondern eine bestimmte Ausführungsführungsart ausdrücklich Auftragsgegenstand wurde (BGH, Urt. v. 17. Mai 1984 – VII ZR 169/82). Dann können die zusätzlichen Werklohnforderungen für die erforderlichen Zusatzarbeiten zu vergütende „Sowieso-Kosten“ sein (BGH, Urt. v. 27. Juli 2006 – VII ZR 202/04).

Daniel Krummacher

Daniel Krummacher

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht