Arbeitsrecht

Änderungen beim Mutterschutz

- Achim Wurster

Nachdem der Bundesrat dem Gesetzentwurf zur Änderung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) zugestimmt hat, sind einige der Regelungen direkt nach Verkündung (BGBl. I S. 1228) in Kraft getreten. Im Übrigen gilt das neue MuSchG ab 1. Januar 2018. Offiziell bekommt es auch einen neuen Namen: „Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium“. Wir geben Ihnen hier einen kurzen Überblick über die wesentlichsten neuen Regelungen:

I. Direkt in Kraft getretene Änderungen

1. Kündigungsschutz bei Frühgeburten

Künftig werden auch Frauen Kündigungsschutz genießen bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche. Die Dauer des Kündigungsschutzes beträgt vier Monate. Wie bei den bisherigen Tatbeständen auch muss dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche bekannt gewesen sein oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden sein.

2. Verlängerte Schutzfrist bei behinderten Kindern

Die generelle Schutzfrist von acht Wochen nach der Entbindung verlängert sich auf Antrag der Mutter auf zwölf Wochen, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringt und soweit diese Behinderung innerhalb der ersten acht Wochen nach der Geburt ärztlich festgestellt wird. Die Begründung des Gesetzgebers leuchtet ein und wird in den allermeisten Fällen auch zutreffen: mit der verlängerten Frist soll die besondere körperliche, vor allem aber auch psychische Belastung der Mutter nach der Geburt eines behinderten Kindes abgefedert werden. Die Mutter soll mehr Zeit haben, ihr Kind kennenzulernen.

II. Die wesentlichen Änderungen ab 1. Januar 2018

1. Erweiterter Anwendungsbereich

Das Gesetz bekommt zum 1. Januar 2018 nicht nur einen neuen Namen, sondern auch einen komplett neuen Aufbau. Die wesentlichste Änderung betrifft den Anwendungsbereich des Gesetzes. Sind bisher nur Arbeitnehmerinnen und Heimarbeiterinnen vom Gesetz geschützt, erweitert der Gesetzgeber den Anwendungsbereich ab 2018 auf Beschäftigungsverhältnisse i.S.d. § 7 SGB IV, so dass z.B. auch die Fremdgeschäftsführerin einer GmbH unter den Anwendungsbereich fällt. Darüber hinaus wird das MuSchG auch für 

  • Frauen in betrieblicher Berufsausbildung und Praktikantinnen i.S.d. § BBIG § 26 BBiG,
  • Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt sind,
  • Frauen, die als Entwicklungshelferinnen tätig sind,
  • Frauen die als Freiwillige i.S.d. Jugend- oder Bundesfreiwilligendienstgesetzes tätig sind,
  • Frauen, die als Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft, Diakonissen oder Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft auf einer Planstelle oder aufgrund eines Gestaltungsvertrags für diese tätig werden,
  • Frauen in arbeitnehmerähnlicher Stellung sowie
  • Studentinnen und Schülerinnen, soweit die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt,

gelten. Weiterhin gilt das Gesetz nicht für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen.

2. Gesundheitsschutz

Der Gesundheitsschutz wird künftig einheitlich und ausschließlich im neuen MuSchG geregelt. Die bisherigen in Rechtsverordnungen enthaltenen Regeln sind nun ins Gesetzt eingearbeitet und an die aktuelle Entwicklung angepasst.

Als neuer Schlüsselbegriff für den arbeitszeitlichen und betrieblichen Gesundheitsschutz hat der Gesetzgeber den Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“ eingeführt. Solche Gefahren soll das Gesetz soweit möglich ausschließen. Sobald eine unverantwortbare Gefährdung vorliegt, muss der Arbeitgeber durch (Um-)Gestaltung der Arbeitsbedingungen reagieren. Eine solche Gefährdung ist dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass die schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind durch eine bestimmte Tätigkeit oder Arbeitsbedingung gesundheitlich beeinträchtigt wird. Näheres hierzu wird der neue § 9 Abs. 2 MuSchG enthalten. 

Im neuen § 13 MuSchG gibt der Gesetzgeber eine Rangfolge vor, welche Maßnahmen der Arbeitgeber bei einer unverantwortbaren Gefährdung umzusetzen hat. 

Vorrangig soll der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen umgestalten. Ist dadurch eine Gefährdung auch weiterhin nicht ausgeschlossen, muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin an einem anderen Arbeitsplatz einsetzen, soweit ein geeigneter und zumutbarer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Wenn auch ein Arbeitsplatzwechsel nicht möglich ist, besteht ein betriebliches Beschäftigungsverbot. Die neue Regelung hat zur Folge, dass der Arbeitgeber nicht pauschal Beschäftigungsverbote aussprechen soll, sondern vorrangig Lösungen finden soll, mit denen die Arbeitnehmerin weiterarbeiten kann.

3. Besondere Arbeitszeiten

Bei besonderen Arbeitszeiten gibt es auch Anpassungen. So ist es künftig möglich, eine unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallende Frau bis 22.00 Uhr zu beschäftigen, wenn bestimmte Voraussetzungen (wie Zustimmung der Arbeitnehmerin, keine unverantwortbare Gefährdung, Genehmigung der Aufsichtsbehörde) vorliegen. Im Übrigen bleibt Nachtarbeit verboten.

Auch bei der Sonntagsarbeit gibt es angepasste und ähnliche neue Regelungen. Sonn- und Feiertagsarbeit ist künftig möglich, wenn sich die ausdrücklich zur Arbeit bereit erklärt, eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 10 ArbZG gegeben ist, ihr im Anschluss ein Einsatzruhetag gewährt wird und eine unverantwortbare Gefährdung der schwangeren Frau und ihres Kindes ausgeschlossen ist.

4. Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers

Ganz generell bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen für den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der schwangeren Frau sowie der ihres Kindes zu treffen. Hierfür muss der Arbeitgeber zukünftig vorab eine Gefährdungsbeurteilung für jede im Unternehmen anfallende Tätigkeit vorzunehmen, unabhängig davon ob es sich dabei um eine gefahrenspezifische Tätigkeit handelt. Diese frühzeitige Erstellung soll sicherstellen, dass sich der Arbeitgeber mit den mutterschutzrechtlichen Fragen rechtzeitig beschäftigt und seine Beschäftigten entsprechend informiert. Hier erweitert das MuSchG die Pflichten des Arbeitgebers aus § 5 ArbSchG. Im nächsten Schritt muss der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Gefährdungsanalyse ermitteln, ob Schutzmaßnahmen oder eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich sind oder eine Fortführung der Tätigkeit an dem Arbeitsplatz nicht möglich ist. Sobald die betroffene Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder stillt, muss der Arbeitgeber unverzüglich die nach Maßgabe der Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Schutzmaßnahmen festlegen.

Im neuen § 11 MuSchG sind alle generell unzulässigen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen enthalten.

Fazit

Das MuSchG wurde seit 1952 nicht mehr wirklich angepasst. Nun soll es nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere in arbeitsmedizinischer Sicht dem aktuellen Stand entsprechen. Die flankierenden Änderungen waren zum großen Teil überfällig und bieten nun für Arbeitgeber und auch Arbeitnehmerinnen vielfach Klarheit. Es ist eines der wenigen gelungenen Projekte des Gesetzgebers in dieser Legislaturperiode.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)