Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Fragen rund um das Thema Coronaschutzimpfung

- Achim Wurster

Nachdem nach aktuellem Stand vier Impfstoffe gegen COVID-19 in Europa zugelassen und verfügbar sind, hoffen alle auf ein schnelles Ende der Pandemie, die bisher zu durchaus erheblichen sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Folgen geführt hat.

In diesem Zusammenhang stellen sich Arbeitnehmern und Arbeitgebern diverse Fragen rund um die Impfung, die wir anhand der bisher (Stand 30.03.2021) vorliegenden Informationen beantworten wollen.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten derzeit für die Impfung?

Maßgeblich ist die Coronavirus-Impfverordnung. Dort ist eine Reihenfolge der Impfberechtigten nach höchster, hoher und erhöhter Priorität vorgesehen. Das heißt, dass sich aktuell noch nicht jeder impfen lassen kann, sondern bestimmte Voraussetzungen für einen Impfanspruch vorliegen müssen. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht anders als beispielsweise bei der Masernimpfung für schulpflichtige Kinder und in Schulen bzw. Betreuungseinrichtungen tätige Personen dagegen nicht.

Darf man sich während der Arbeitszeit impfen lassen?

Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer ihre planbaren Arzttermine – und dazu gehört auch im weiteren Sinne die Coronaschutzimpfung – außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen. Ein Anspruch auf (bezahlte) Freistellung besteht nur in Ausnahmefällen. Das kann hier vorliegen, wenn der Impftermin verbindlich vom Impfzentrum vorgegeben wird und der Arbeitnehmer auf diesen Termin keinen Einfluss nehmen kann.

Darf der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern verlangen, sich impfen zu lassen?

Der Arbeitgeber kann über das sog. Direktionsrecht von seinen Arbeitnehmern im Einzelfall z.B. verlangen, Reisen in Risikogebiete mitzuteilen, Masken zu tragen oder bestimmte Hygienemaßnahmen (Hände waschen, Desinfizieren, Fiebermessen) durchzuführen bzw. zu dulden. Eine Impfung dagegen stellt einen körperlichen Eingriff dar und ist nicht ohne weiteres zulässig. Hier ist ganz grundsätzlich Zurückhaltung angebracht, vor allem da es aktuell keine gesetzliche verordnete Impfpflicht gibt.

Im „normalen“ Arbeitsverhältnis erachten wir daher eine Anweisung, sich impfen zu lassen, als unzulässig, sodass Arbeitnehmer eine solche Weisung auch nicht befolgen müssen. Denn das Grundrecht der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit dürfte höher wiegen als das Interesse des Arbeitgebers am möglichst reibungslosen Ablauf seines Betriebs. Abgesehen von der bisher nicht umfassend geklärten Frage, ob durch Impfungen überhaupt eine vollständige Übertragbarkeit von SARS-Cov-2 ausgeschlossen ist, stehen aktuell zahlreiche mildere Maßnahmen, von denen wir oben bereits einige genannt haben, zur Verfügung. Diese umzusetzen und die dadurch entstehenden Einschränkungen sind dem Arbeitgeber grundsätzlich zumutbar und liegen im Rahmen des von diesem zu tragenden unternehmerischen Risikos. Daher darf ein Arbeitnehmer –jedenfalls solange keine gesetzliche Impfpflicht besteht – vom Arbeitgeber nicht gezwungen werden, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen.

Anders könnte es dagegen in bestimmten Branchen aussehen, wie etwa in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen. Die Arbeitnehmer haben dort Kontakt zu für COVID-19 anfälligere Personen, sodass weitergehende Schutzpflichten des Arbeitgebers gerade gegenüber dritten Personen in Betracht kommen. Aber auch hier muss man berücksichtigen, dass bisher unklar ist, ob die zugelassenen Impfstoffe tatsächlich die Möglichkeit der Ansteckung anderer Personen verhindern oder jedenfalls erheblich vermindern. In Einzelfällen könnte hier die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen. Eine pauschale Anordnung, sich impfen zu lassen, würde unseres Erachtens ohne gesetzliche Impfpflicht aber auch hier zu weit gehen.

Muss man eine vertragliche Regelung zur Impfpflicht akzeptieren?

Eine solche Pflicht in einem vorformulierten Arbeitsvertrag dürfte ebenfalls unwirksam sein, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen würde. Gleiches gilt für entsprechende Regeln in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Denn auch insoweit muss das Grundrecht der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit berücksichtigt werden. Wenn man eine solche Lösung für zulässig erachten wollte, wären die Kosten für die Impfung (Ausfallzeit, mögliche Spätfolgen, etc.) vom Arbeitgeber zu tragen, was zu einem schwer kalkulierbaren Risiko führen könnte.

Daher empfehlen wir auch insoweit Zurückhaltung.

Darf der Arbeitgeber fragen, ob man geimpft ist?

Es handelt sich hier um eine Frage, die im Zusammenhang mit Gesundheitsdaten besteht. Die DS-GVO sieht hier hohe Hürden für die Zulässigkeit einer solchen Frage vor. Aktuell dürfte diese Frage allenfalls in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, etc. zulässig sein.

Kann man Arbeitnehmer, die sich impfen lassen, belohnen?

Der Arbeitgeber muss bei Impfanreizen den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Er darf also Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln. Eine Impfprämie z.B. für alle Arbeitnehmer, die sich impfen lassen, dürfte sachlich gerechtfertigt sein, da der Arbeitgeber hier seinen Schutzpflichten nachkommt und einen Anreiz setzen will, dass die Arbeitnehmer mitwirken. Achtung: hier kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen.

Kann man ungeimpften Arbeitnehmern den Zutritt zur Kantine verwehren?

Dies kann im Einzelfall zulässig sein. Wenn anders die arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen aus der Corona-ArbSch-VO und § 5 ArbSchG nicht umgesetzt werden können, kann der Arbeitgeber die Zutrittsberechtigung begrenzen. Genauso kann er auch für Ungeimpfte weiterhin die Maskenpflicht anordnen und Abstandsregeln einführen bzw. beibehalten, während sich Geimpfte daran nicht mehr halten müssen (unter der Voraussetzung, dass die SARS-CoV-2-Impfung auch Ansteckungen verhindert).

Kann man Arbeitnehmern kündigen, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen?

Die bloße Weigerung, sich nicht impfen lassen zu wollen, wird ohne bestehende Impfpflicht bzw. ohne zulässige Weisung des Arbeitgebers keinen Kündigungsgrund darstellen können.

Der Arbeitgeber ist aber im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit berechtigt, eine Impfung zur Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten zu machen. Das wird insbesondere wieder die Bereiche von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, etc. betreffen. Dann könnte theoretisch eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommen. Aber auch hier muss man im Einzelfall prüfen, ob es nicht mildere Maßnahmen, wie z.B. Versetzung oder strenge Hygienemaßnahmen, gibt. Auch könnte sich ein praktisches Problem bei der Umsetzung stellen: gerade in den fraglichen Bereichen besteht oft Personalmangel, sodass sich diese verschärfen könnte.

Sollte der Arbeitgeber einen Mitarbeiter ohne Gefahr für sich oder andere dauerhaft nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen können, kann er in Ausnahmefällen auch eine ordentliche personenbedingte Kündigung aussprechen. Die Rechtsprechung lässt eine solche Kündigung zu, wenn eine vertragsgerechte Beschäftigung aufgrund fehlender oder weggefallener persönlicher Eigenschaften nicht mehr möglich ist. Hier muss man den individuellen Einzelfall betrachten, insbesondere welche milderen Mittel es im Vergleich zur Kündigung gibt. Arbeitgeber müssen genau überlegen, welche technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen vor Ausspruch der Kündigung denkbar und verhältnismäßig wären.

Kann man Arbeitnehmern, die sich nicht impfen lassen wollen, ein Hausverbot erteilen?

Es stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber bei fehlender Impfung ein Hausverbot aussprechen dürfen und entsprechend auch keine Vergütung mehr bezahlen müssen. Insoweit haben wir erhebliche Zweifel. Zwar besitzt der Arbeitgeber das Hausrecht. Arbeitnehmern, die nicht geimpft sind bzw. sich nicht impfen lassen wollen, einfach den Zutritt zu verwehren, kann nur dann möglich sein, wenn es eine gesetzliche Impfpflicht gibt. Arbeitgeber laufen hier also Gefahr, dass die Arbeitnehmer dennoch ihre Vergütung vor dem Hintergrund des Annahmeverzugs behalten, auch wenn sie nicht arbeiten.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)