Arbeitsrecht

BSG stuft Honorarärzte in Krankenhäusern als versicherungspflichtig Beschäftigte ein – was Krankenhäuser jetzt beachten müssen

- Achim Wurster

Ausgangslage

In vielen Krankenhäusern war und ist es Usus, dass eine gewisse Anzahl Ärzte freiberuflich auf Honorarbasis tätig sind und das Krankenhaus daher für diese Ärzte keine Beiträge zur Sozialversicherung abführt. Diese Ärzte arbeiten in der Regel mehr oder weniger mit den angestellten Ärzten des Krankenhauses zusammen; für letztere führt das Krankenhaus Beiträge zur Sozialversicherung ab.

Die Deutsche Rentenversicherung prüft regelmäßig mit der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung, ob Unternehmen ihren Beitragspflichten korrekt nachkommen. Prüfungsgegenstand sind hier immer wieder auch die sog. Honorarärzte in Krankenhäusern, für die das Krankenhaus als selbstständig Tätige keine Beiträge zur Sozialversicherung abführt.

Im Rahmen dieser Prüfungen prüft die Deutsche Rentenversicherung in letzter Zeit vermehrt den sozialversicherungsrechtlichen Status der Honorarärzte und gelangt regelmäßig zum Ergebnis, dass diese in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. In diesen Fällen fordert die Deutsche Rentenversicherung von den Krankenhäusern sodann Beiträge zur Sozialversicherung rückwirkend bis zu vier Jahre nach, wodurch sich teilweise erhebliche Summen ergeb

Entwicklung der Rechtsprechung

Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, beantwortet sich nach § 7 SGB IV. Danach ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Die Rechtsprechung der Sozialgerichte hat in unzähligen Entscheidungen diese Norm konkretisiert und zahlreiche Abgrenzungskriterien entwickelt, um die Statusbeurteilung vornehmen zu können.

So gibt es Entscheidungen, die bei Honorarärzten zu einer selbstständigen Tätigkeit gelangen und auch Entscheidungen, die zu einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelangen. Die Landessozialgerichte haben in den vergangenen Jahren regelmäßig eine Beschäftigung und damit Versicherungspflicht angenommen.

Entscheidung des BSG

Das BSG hatte am 04.06.2019 über mehrere Revisionen von klagenden Krankenhäusern, die sich gegen eine Beitragsforderung aus einer Betriebsprüfung wehrten, zu entscheiden.

Das BSG machte in seinen Urteilen (Leitfall: B 12 R 11/18 R) klar, dass Ärzte in Krankenhäusern regelmäßig beschäftigt sind und damit der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliegen. Die Krankenhäuser müssen danach also auch in aller Regel für ihre Honorarärzte Beiträge zur Sozialversicherung abführen.

Das BSG begründet diese Entscheidung insbesondere damit, dass die Ärzte in den Betrieb der Krankenhäuser eingegliedert sind und „funktionsgerecht dienend“ an dem Arbeitsplatz tätig sind. Dass die Honorarärzte nicht weisungsgebunden seien, sieht das BSG anders, weil allein schon die Zusammenarbeit mit angestellten Ärzten dazu führe, dass die Honorarärzte in den Krankenhausalltag eingebettet seien. Letzteres sei bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrsche, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss hätten. So seien Anästhesisten - wie die Ärztin im Leitfall - bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten müsse. Auch die Tätigkeit als Stationsarzt setze regelmäßig voraus, dass sich die Betroffenen in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe einfügen müssten. Auch stehe der Beschäftigung nicht entgegen, dass das Honorar deutlich höher sei als das Gehalt vergleichbarer angestellter Ärzte und somit keine Beitragsersparnis vorliege.

Das BSG betont auch noch: „Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hat keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen "entlastete" und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen.“

Welche Folgen hat das Urteil?

Krankenhäuser, die (immer noch) Honorarärzte unter Vertrag haben, sollten dringend den sozialversicherungsrechtlichen Status dieser Ärzte unter Berücksichtigung der BSG-Urteile vom 04.06.2019 prüfen und ggf. Anpassungen vornehmen. Ansonsten drohen hohe, unter Umständen auch existenzgefährdende Nachzahlungen bei Betriebsprüfungen.

Die Tatsache, dass § 2 Abs. 1 KHEntgG regelt, dass abrechnungsfähige Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden können, ändert nichts daran, dass der sozialversicherungsrechtliche Status anhand der vom BSG aufgestellten Grundsätze geprüft werden muss.

Ferner drohen weiter arbeitsrechtliche Folgeprobleme, die unter Umständen zu einem enormen Überhang an Arbeitskräften führen können. Nicht zuletzt können sich auch strafrechtliche Risiken verwirklichen, sollte man die Urteile des BSG ignorieren.

Wir empfehlen mit Nachdruck, sich hier fachkundig beraten zu lassen und stehen dafür gerne zur Verfügung.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)