Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht: Der Arbeitgeber darf den Urlaub während der Kurzarbeit kürzen

- Achim Wurster

Einleitung

Seit Corona nutzen viele Unternehmen Kurzarbeit. Der Arbeitgeber kann aufgrund eines vorübergehenden Arbeitsausfalls seine Arbeitnehmer nicht oder nicht voll beschäftigen, sodass die Arbeitnehmer nur teilweise oder sogar gar nicht arbeiten (sog. Kurzarbeit Null). Die Arbeitnehmer erhalten für den Verdienstausfall Kurzarbeitergeld.

Bis jetzt war es in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur nicht klar, ob der Arbeitgeber für Zeiten der Kurzarbeit anteilig den Jahresurlaub kürzen kann. Das dahinter stehende Argument lautet, dass ja schließlich für die Zeiten der Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis ruht und daher keine Arbeitsleistung geschuldet sei. Dann sei es nur konsequent, den Urlaubsanspruch entsprechend kürzen zu dürfen. Die Kritiker dieser Ansicht argumentieren dagegen, dass man damit unzulässigerweise einen Teil des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer übertragen würde und darüber hinaus bei Kurzarbeit die Arbeitnehmer letztlich gar keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Arbeitsbefreiung hätten.

Der Fall

Die Arbeitnehmerin und Klägerin ist bei ihrem Arbeitgeber, der Beklagten, drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sieht bei einer Sechs-Tage-Woche einen jährlichen Erholungsurlaub von 28 Werktagen vor. Dies entsprach bei einer vereinbarten Drei-Tage-Woche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.

Der Arbeitgeber führte aufgrund Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, auf deren Grundlage die Klägerin u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.

Aufgrund dieser kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Dagegen hat sich die Klägerin mit einer Klage gewehrt. Sie hat argumentiert, dass kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden müssten. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Revision der Klägerin mit Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 zurück.

Die Klägerin stand kein Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 zu.

Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte nach Auffassung des BAG eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage) gehabt.

Fazit

Das BAG hat mit dem Urteil eine klare Position bezogen. Fällt Arbeit kurzarbeitsbedingt an einzelnen Tagen ganz aus, darf der Arbeitgeber den Urlaub anteilig neu berechnen, also „kürzen“.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)