Arbeitsrecht

Darf der Arbeitgeber nach dem Corona-Impfstatus fragen? Neue gesetzliche Regelung

- Achim Wurster

Der Bundestag hat am 07.09.2021 ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus von Arbeitnehmern beschlossen. Die gesetzliche Regelung ist auf bestimmte Branchen beschränkt und zeitlich befristet. Der Bundesrat muss noch zustimmen, was allerdings sehr wahrscheinlich ist.

Hintergrund

Angesichts der Entwicklung in der Coronakrise kam bereits in den letzten Monaten immer wieder die Frage auf, ob Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Arbeitnehmer abfragen dürfen. Die arbeitsrechtliche Welt war sich im Großen und Ganzen einig, dass eine solche Frage – mit Ausnahme des Krankenhaus- und Pflegebereichs i.S.d. § 23 Abs. 3 IfSG – ohne gesetzliche Regelung unzulässig sein dürfte und Arbeitnehmer diese Frage daher nicht beantworten müssen bzw. auch falsch beantworten dürfen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. In den letzten Wochen gab es nun in der Politik erste Stimmen, ein solches Fragerecht gesetzlich zu verankern.

Gesetzliche Regelung

Der Gesetzgeber hat diese neu aufgekommene Diskussion aufgegriffen und mit dem sog. „Aufbauhilfegesetz 2021“ folgende Regelung beschlossen (§ 36 Abs. 3 IfSG):
„Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 S. 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“

Die Vorschrift verweist auf bestimmte Einrichtungen und Unternehmen, wie etwa

  • Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen,
  • Obdachlosenunterkünfte,
  • Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern,
  • Kindertageseinrichtungen,
  • Einrichtungen der Kindertagespflege,
  • Schulen,
  • Heime und Ferienlager.

In den durch das Gesetz klar abgetrennten Bereichen darf also der Arbeitgeber künftig nach dem Impfstatus fragen. Das Fragerecht ist zeitlich begrenzt, indem es an das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite anknüpft, was jeweils der Bundestag beschließen muss.

Datenschutz

Der Verweis auf den allgemeinen Datenschutz führt dazu, dass der Arbeitgeber die Daten nur verarbeiten darf, wenn und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Hier muss also der Arbeitgeber weiter abwägen, ob es nicht mildere Mittel gibt. Die Gesetzesbegründung führt aus, dass in den genannten Einrichtungen und Unternehmen, in denen besonders vulnerable Personengruppen betreut werden oder untergebracht sind beziehungsweise aufgrund der räumlichen Nähe zahlreiche Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Daher kann im Interesse des Infektionsschutzes die Erforderlichkeit bestehen, Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Impf- und Serostatus in Bezug auf COVID-19 unterschiedlich einzusetzen oder von einer Beschäftigung ungeimpfter Personen abzusehen.

Und wenn sich der Arbeitnehmer weigert, Auskunft zu erteilen?

Arbeitnehmer, die entgegen der gesetzlichen Pflicht die Frage nicht oder fehlerhaft beantworten, verstoßen gegen ihre arbeitsvertraglichen Nebenpflichten und müssen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen von der Abmahnung bis zur Kündigung rechnen. Allerdings warnen wir vor vorschnellen Maßnahmen, da man in jedem Einzelfall prüfen muss, ob das Auskunftsrecht tatsächlich besteht, weil es erforderlich ist.

Darüber hinaus wäre denkbar, dass der Arbeitnehmer dann einem Beschäftigungsverbot unterliegt, wenn keine alternativen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. In diesem Fall würde der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch verlieren.

Beteiligung des Betriebsrats

Will der Arbeitgeber nicht nur im Einzelfall, sondern generell abfragen, dürfte der Betriebsrat zu beteiligen sein.

Fazit

Auch wenn einige die Maßnahme des Gesetzgebers als „Impfpflicht durch die Hintertür“ ansehen, halten wir die Maßnahme für notwendig, um wenigstens eine gewisse Rechtssicherheit jedenfalls für die sensiblen Branchen zu geben. Aufgrund der schwammigen Formulierung und zahlreichen Querverweise im Gesetz muss man sich allerdings die Frage stellen, ob das Gesetz wirklich die erwünschte Klarheit schafft. Ferner sorgen die unbestimmten Rechtsbegriffe – insbesondere der Erforderlichkeit – und der Verweis auf den Datenschutz für Unsicherheit, da hier die Arbeitsgerichte nahezu alles argumentieren und vertreten können.

Das Gesetz ist mit heißer Nadel gestrickt, so liest es sich auch.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)