Arbeitsrecht

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – wir stellen es vor

- Achim Wurster

Um was geht es?

Gerade in der Coronapandemie hat sich gezeigt, dass die Regelungen des BetrVG oftmals mit dem technischen Fortschritt (Digitalisierung, neue Arbeitsformen) nur noch schwer vereinbar waren. Daher hat der Gesetzgeber das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen, mit dem einige neue Regelungen in das das BetrVG Eingang finden. Dieser Beitrag stellt die wesentlichen neuen Regelungen im Einzelnen vor.

Erleichterung von Betriebsratsgründungen und -wahlen

Der Anwendungsbereich der vereinfachten Wahlverfahren wird erweitert. Das vereinfachte Wahlverfahren kennzeichnet sich dadurch, dass die Einleitung der Wahl und die Durchführung der Wahl nach einfacheren Regeln folgt. Zum Beispiel gibt es keine Wahllisten und das Wahlverfahren ist deutlich schlanker. Das Gesetz hebt die Schwellenwerte für die Anwendung des verpflichtenden vereinfachten Wahlverfahrens und des vereinfachten Wahlverfahrens nach Vereinbarung an. Künftig gilt das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern anstatt 50 Arbeitnehmern. Betriebe mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern können nun das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren (bisherige Grenze: 100 Arbeitnehmer).

Ferner sind künftig die sog. Stützunterschriften in Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern nicht mehr erforderlich. In Betrieben mit mehr als 20 und bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern sind nur noch mindestens zwei Stützunterschriften notwendig. In Betrieben mit 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist für Vorschläge, die auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform erforderlich, ein Handzeichen reicht.

Fehler in der Wählerliste sollen künftig seltener anfechtbar sein. Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist nun ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt aber dann nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

Erleichterungen bei der Wahl von Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV)

Der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens wird bei der JAV wie bei den Betriebsratswahlen erweitert. Die Altersgrenze bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung gestrichen. Es kommt künftig nur noch auf den Status als Auszubildender an.

Erweiterter Kündigungsschutz

Arbeitnehmer, die Vorbereitungshandlungen für die Errichtung eines Betriebsrats unternommen haben und eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB mit dem Inhalt abgegeben haben, dass die Absicht besteht, einen Betriebsrat zu errichten, erhalten besseren Kündigungsschutz. Arbeitnehmer, die solche Vorbereitungshandlungen unternehmen, sind in dieser Zeit vor verhaltensbedingten- und personenbedingten ordentlichen Kündigungen geschützt. Notwendige betriebsbedingte ordentliche Kündigungen bleiben unverändert möglich.

Der Kündigungsschutz beginnt mit der Beglaubigung der Unterschrift und endet mit der Einladung zu einer Betriebsversammlung, spätestens jedoch drei Monate nach dem Zeitpunkt der Beglaubigung. Der Kündigungsschutz wird sich künftig nicht nur auf die ersten drei, sondern auf die ersten sechs Mitarbeiter erstrecken, die in der Einladung zur Wahlversammlung genannt sind.

Digitale Betriebsratssitzungen und Betriebsvereinbarungen

Betriebsräte können künftig Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen. Die Rahmenbedingungen können sie selbst setzen. Wichtig ist nur, dass weiterhin der Vorrang von Präsenzsitzungen gilt. Betriebsvereinbarungen können nun auch unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden, wobei wir insoweit aufgrund der gesetzlichen Anforderungen von keiner hohen praktischen Relevanz ausgehen.

Hinzuziehung eines Sachverständigen beim Einsatz künstlicher Intelligenz

Der Betriebsrat kann gem. § 80 Abs. 3 BetrVG bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. In der Praxis führt die Frage der Erforderlichkeit regelmäßig zu Streit. Das Gesetz fingiert nun in § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG, dass zur Aufgabenwahrung bei Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gilt. Der Arbeitgeber kann also insoweit einen externen IT-Sachverständigen nicht mit der Begründung, dieser sei nicht erforderlich, ablehnen.

Klarstellung zum Datenschutz

§ 79a BetrVG stellt klar, dass der Arbeitgeber für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist und nicht der Betriebsrat. Das Gesetz fordert von den Betriebsparteien, sich gegenseitig bei der Einhaltung des Datenschutzes zu unterstützen; was immer das auch heißen soll. Fakt ist: Verstöße des Betriebsrats gegen die DSGVO führen zu Verstößen des Arbeitgebers mit allen datenschutzrechtlichen Konsequenzen. Welche internen Haftungsrisiken wiederum bestehen oder nicht bestehen, lässt das Gesetz unbeantwortet.

Mitbestimmungsrecht bei mobiler Arbeit

Der Betriebsrat hat künftig ein Mitbestimmungsrecht bei Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht aber nur bei der konkreten Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Die Entscheidung, ob mobile Arbeit überhaupt eingeführt werden soll, trifft der Arbeitgeber allein. Ein Initiativrecht des Betriebsrats besteht ebenfalls nicht.

Erste Bewertung

Der große Wurf ist das Gesetz nicht. Ursprünglich mit dem Namen Betriebsrätestärkungsgesetz angetreten, bleibt es bei einzelnen Neuregelungen, deren praktischer Nutzen sich erst noch erweisen muss. Dies gilt insbesondere für die unvollendet eingeführte Digitalisierung von Betriebsratssitzungen und Betriebsvereinbarungen. Ob die Wahlerleichterungen für mehr Betriebsräte sorgen werden, darf man getrost bezweifeln. Alles, was durch das Gesetz neu an Unklarheiten geschaffen wurde, wird wieder die Rechtsprechung

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)