Arbeitsrecht

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz – das ändert sich in der betrieblichen Altersversorgung!

- Achim Wurster

Der Bundestag hat am 1. Juni 2017 das Betriebsrentenstärkungsgesetz beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 7. Juli 2017 zu, am 17. August 2017 wurde das Gesetz sodann verkündet. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Mit der Reform soll die betriebliche Altersversorgung insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen sowie auf Arbeitnehmerseite bei Geringverdienern eine höhere Verbreitung erzielen. 

Kernstück ist das Sozialpartnermodell: auf Basis eines Tarifvertrags sind reine Beitragszusagen und sog. Optionssysteme möglich. Zudem sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Verpflichtung des Arbeitgebers vor, einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung zu leisten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche steuerrechtliche Anpassungen, die die betriebliche Altersversorgung attraktiver machen sollen.  Abschließend wird die Anrechnung der Betriebsrente auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII eingeschränkt. 

I. Änderungen im BetrAVG 

1. Reine Beitragszusage, Sicherungsbeitrag und Zuschuss des Arbeitgebers

Das Gesetz führt die reine Beitragszusage ein. Der Arbeitgeber ist hier nur verpflichtet, einen bestimmten Beitrag zu bezahlen. Es entsteht gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG-neu anders als bei Leistungszusagen, beitragsorientierten Leistungszusagen und Beitragszusagen mit Mindestleistung keine Haftung bzw. Einstandspflicht des Arbeitgebers für eine bestimmte Höhe der späteren Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Das Risiko der schlechten Anlage liegt in diesen Fällen nunmehr beim Arbeitnehmer. 

Die reine Beitragszusage ist nur möglich, wenn ein Tarifvertrag diese vorsieht. Es besteht jedoch für nicht tarifgebundene Unternehmen die Möglichkeit, die Anwendung einer einschlägigen tariflichen Regelung zu vereinbaren, § 24 BetrAVG-neu. 

Die reine Beitragszusage kann nur über eine Direktversicherung, einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse erfolgen. Es dürfen nur laufende Leistungen zugesagt werden, Einmalzahlungen sind ausgeschlossen. Die Höhe der Leistungen darf nicht garantiert werden. Die Anwartschaft auf die Altersrente (nicht auf sonstige evtl. vorgesehene Leistungen) ist sofort unverfallbar. Die Anwartschaft aus einer reinen Beitragszusage darf weder übertragen, noch beliehen, noch veräußert werden. Die Abfindung einer reinen Beitragszusage ist – nach dem Wortlaut der Vorschrift wohl auch im laufenden Arbeitsverhältnis – mit Ausnahme der Abfindung von Kleinanwartschaften und Kleinrenten i.S.d. § 3 Abs. 2 BetrAVG unzulässig.

Der Arbeitnehmer hat nunmehr gegenüber der Versorgungseinrichtung das Recht, die Versorgung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit eigenen Beiträgen fortzusetzen oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf eine andere Versorgungseinrichtung zu übertragen, sofern der neue Arbeitgeber im Rahmen einer reinen Beitragszusage wiederum Beiträge an diese zahlt, § 22 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG-neu. 

§ 23 I BetrAVG-neu normiert, dass zur Absicherung der reinen Beitragszusage im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag vereinbart werden soll. Bei einer reinen Beitragszusage ist im Fall der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag zu regeln, dass der Arbeitgeber 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. 

Der Sicherungsbeitrag ist zum Zeitpunkt der Leistung des Arbeitgebers an die Versorgungseinrichtung steuerfrei. Er dürfte auch kein Arbeitsentgelt i.S.d. SvEV darstellen.

2. Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung

Ab 1. Januar 2019 (für bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen erst ab 1. Januar 2022 ) muss der Arbeitgeber gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG-neu auch bei den drei Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds (nicht bei Direktzusage oder Unterstützungskasse) einen Pflichtzuschuss zur Entgeltumwandlung in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts bezahlen, wenn er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

3. Optionssystem

§ 20 Abs. 2 BetrAVG-neu lässt nun zu, dass der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer oder für eine Gruppe von Arbeitnehmern des Unternehmens oder einzelner Betriebe eine automatische Entgeltumwandlung einführt, gegen die der Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht hat (Optionssystem). Voraussetzung ist, dass dies in einem Tarifvertrag oder aufgrund einer durch Tarifvertrag zulässigen Betriebsvereinbarung geregelt ist. Nichttarifgebundene Arbeitgeber können ein einschlägiges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder auf Grund eines einschlägigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung einführen.

Der Arbeitgeber behält automatisch einen bestimmten Teil des Gehalts zur Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung ein. Der Arbeitnehmer kann der automatischen Umwandlung widersprechen. Die Entgeltumwandlung im Optionssystem kommt gem. § 20 Abs. 2 S. 2 BetrAVG-neu nur zustande, wenn das Angebot auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung dem Arbeitnehmer in Textform mindestens drei Monate vor der ersten Fälligkeit des umzuwandelnden Entgelts unterbreitet wurde, der Arbeitnehmer nicht widerspricht und das Angebot deutlich darauf hinweist,

  • welcher Betrag und welcher Vergütungsbestandteil umgewandelt werden sollen und
  • dass der Arbeitnehmer ohne Angabe von Gründen innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat nach dem Zugang des Angebots widersprechen und die Entgeltumwandlung mit einer Frist von höchstens einem Monat beenden kann.

II. Wesentliche Änderungen im Steuerrecht

Die steuerlichen Änderungen sind im Wesentlichen der Anstieg des steuerfreien Höchstbeitrags des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung von 4 % auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung und die Einführung eines Förderbetrags bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen. Danach kann der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer mit einem monatlichen Gehalt von bis zu 2.200,00 € brutto bei der Lohnsteuer 30 % des für die betriebliche Altersversorgung des Arbeitnehmers aufgewendeten Beitrags absetzen, jährlich jedoch maximal 144,00 €. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

Der Anspruch auf den Förderbetrag besteht gem. § 100 Abs. 3 EStG-neu bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen:

  • der Arbeitslohn des Arbeitnehmers im Lohnzahlungszeitraum, für den der Förderbetrag geltend gemacht wird, muss dem Lohnsteuerabzug im Inland unterliegen;
  • der Arbeitgeber muss für den Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn im Kalenderjahr mindestens einen Betrag in Höhe von 240,00 € an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung bezahlen;
  • im Zeitpunkt der Beitragsleistung darf der laufende Arbeitslohn, der pauschal besteuerte Arbeitslohn oder das pauschal besteuerte Arbeitsentgelt nicht mehr als
    • 73,34 € bei einem täglichen Lohnzahlungszeitraum,
    • 513,34 € bei einem wöchentlichen Lohnzahlungszeitraum,
    • 2.200,00 € Euro bei einem monatlichen Lohnzahlungszeitraum oder
    • 26.400,00 € bei einem jährlichen Lohnzahlungszeitraum;
    betragen;
  • die Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen muss in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans vorgesehen sein;
  • es muss sichergestellt sein, dass von den Beiträgen jeweils derselbe prozentuale Anteil zur Deckung der Vertriebskosten herangezogen wird (Zillmerungsverbot); der Prozentsatz kann angepasst werden, wenn die Kalkulationsgrundlagen geändert werden, darf die ursprüngliche Höhe aber nicht überschreiten.

Gemäß § 100 Abs. 2 EStG-neu ist der jeweilige Förderbetrag in Fällen, in denen der Arbeitgeber bereits im Jahr 2016 einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag geleistet hat, auf den Betrag beschränkt, den der Arbeitgeber darüber hinaus leistet. 

Weitere steuerliche Änderungen finden sich in § 3 Nr. 63 S. 4 EStG-neu. Deren Darstellung würde hier jedoch den Rahmen sprengen.

III. Auswirkungen auf die Grundsicherung bei Alter und Erwerbsminderung (Freibetrag)

Betriebsrenten sind nach derzeitigem Recht Einkommen i.S.d. SGB XII und voll auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung anzurechnen. Das führte dazu, dass Arbeitnehmer mit geringem Gehalt und entsprechend geringer Rentenanwartschaft im Alter keine betriebliche Altersversorgung durchführten, weil die Leistungen mit der Grundsicherung verrechnet wurden.

Der Gesetzgeber hat reagiert. Gem. § 82 Abs. 4, 5 SGB XII-neu bleibt eine monatliche Betriebsrente bis zu einem absoluten Betrag in Höhe von 100,00 € nun vollständig anrechnungsfrei, sofern sie lebenslang gezahlt wird. Eine darüber hinausgehende monatliche Betriebsrente bleibt zu 30 % anrechnungsfrei. Insgesamt darf der Freibetrag jedoch maximal 50 % der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII (derzeit 409,00 €) betragen. Die neuen Anrechnungsregelungen gelten auch für Riesterrenten, Basisrenten („Rürup“) und lebenslange Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie auf freiwilligen Beiträgen beruhen.

IV. Zusammenfassung

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz versucht, die betriebliche Altersversorgung auszubauen und attraktiver zu machen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Eine Hürde dürfte insbesondere sein, dass die reine Beitragszusage und das Optionssystem an Tarifverträge gekoppelt sind und somit angesichts der zurückgehenden Tarifbindung für einen Großteil der Arbeitnehmer gar nicht zur (unmittelbaren) Anwendung gelangen wird. Inwieweit der Zuschuss des Arbeitgebers zu mehr Entgeltumwandlungen führen wird, bleibt ebenfalls abzuwarten. Denn der erste Schritt muss weiterhin von den Arbeitnehmern ausgehen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)