Erbrecht

Das gemeinschaftliche Ehegattentestament

- Armin Abele

Berliner Testament - Vorsicht Falle!

Ehegatten wollen häufig das eingebrachte und während der Ehezeit erwirtschaftete Vermögen dem überlebenden Ehegatten zu dessen Lebzeiten erhalten. Gleichzeitig soll sicher gestellt sein, dass ihr beiderseitiges Vermögen nach dem Tod des Letztversterbenden den Kindern oder andere nahestehende Personen zufällt. Diesem Wunsch trägt das gemeinschaftliche Ehegattentestament Rechnung. Hierbei besteht die Besonderheit, dass Verfügungen von Todes wegen für zwei Sterbefälle hintereinander geschaltet werden. Im Gegensatz zum Einzeltestament können beide Ehegatten ihre Verfügungen von Todes wegen in einer gemeinsamen Urkunde errichten.

Das gemeinschaftliche Ehegattentestament kann grundsätzlich wie ein eigenhändiges Testament errichtet werden, nur mit dem Unterschied, dass es ausreicht, wenn einer der Ehegatten den gesamten Text handschriftlich schreibt und im Anschluss daran beide Ehegatten ihre Unterschrift unter den Text des Testaments leisten. Es muss aber eine gemeinsame Verfügung und dürfen nicht zwei Einzelverfügungen vorliegen:

Testament 1: Der Ehemann schreibt auf ein als Testament überschriebenes Blatt: "Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein." Es folgt das Datum und die Unterschriftsleistung beider Ehegatten. Testament 2: Der Ehemann schreibt auf einem Blatt: "Mein letzter Wille! Meine Erbe soll meine Ehefrau sein." Es folgt Datum und Unterschrift des Ehemannes. Dieser schreibt weiter: "Mein letzter Wille! Mein Erbe soll mein Ehemann sein." Es folgt Datum und Unterschrift der Ehefrau. Im Gegensatz zum Testament 1 beinhaltet Testament 2 keine gemeinsame Erklärung der Ehegatten, weshalb nur das Testament des Ehemannes, nicht aber das seiner Frau wirksam ist.

Rechtlich besteht im Unterschied zum Einzeltestament die Besonderheit, dass eine gegenseitige Bindungswirkung der Verfügungen auftreten kann, mit der Folge, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Erstversterbenden seine letztwilligen Verfügungen häufig nicht mehr ändern kann oder die Erbschaft ausschlagen muss, will er dies tun. Solange beide Ehegatten am Leben sind, können diese ihre letztwilligen Verfügungen im Testament jederzeit widerrufen, indem sie z. B. ein neues gemeinschaftliches Testament errichten. Einseitig bedarf der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments der notariellen Beurkundung mit anschließender Zustellung an den anderen Ehegatten, wodurch der heimliche Widerruf verhindert werden soll.

Der typische Fall eines Ehegattentestaments ist der, dass sich die Eheleute zunächst gegenseitig und anschließend die Kinder als Erben einsetzen. Wenn hierbei der überlebende Ehegatte Vollerbe und die Kinder Schlusserben (Einheitsprinzip) werden, ist dies ein Berliner Testament. Die andere Möglichkeit ist die, dass der überlebende Ehegatte nur Vorerbe und die Kinder Nacherben werden (Trennungsprinzip).

Der Unterschied zwischen dem Einheits- und dem Trennungsprinzip liegt darin, dass beim Einheitsprinzip vom ersten Erbfall das Vermögen voll auf den überlebenden Ehegatten übergeht und dieser frei hierüber verfügen kann. Beim Trennungsprinzip werden die Vermögensmassen der Eheleute nicht vereinigt, sondern bleiben getrennt. Über das Sondervermögen des Erblassers kann der Ehegatte nur in den vom Gesetz vorgesehenen Grenzen verfügen.

Vorteil des Trennungsprinzips ist, dass das Erbe der gemeinsamen Kinder besser gesichert ist. Es kann so vermieden werden, dass Vermögen des Erstversterbenden an "familienfremde" Personen abwandert, z. B. einen neuen Ehegatten oder etwaige Kinder des letztversterbenden Ehegatten aus erster Ehe. Diese wären pflichtteilsberechtigt und würden ansonsten mittelbar am Vermögen des Erstversterbenden partizipieren.

Das Ehegattentestament birgt neben der bereits angesprochenen Bindungswirkung eine Reihe von Risiken und Fußangeln, deren sich die testierenden Ehegatten bewusst sein müssen:

Die Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten bedeutet gleichzeitig eine Enterbung der Kinder, die damit beim Tode des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen können. Bestünde das Vermögen der Ehegatten nur im hälftigen Miteigentumsanteil des gemeinsam bewohnten Hauses, ohne dass ansonsten nennenswertes Barvermögen vorhanden wäre, wird der geltend gemachte Pflichtteil eines Kindes häufig dazu führen, dass das Haus verkauft werden muss.

Aus erbschaftssteuerrechtlicher Sicht kann sich das Berliner Testament – dies gilt auch für die Trennungslösung – als echte Steuerfalle erweisen, da beim Tode des Erstversterbenden die Steuerfreibeträge der Kinder für diesen Erbfall nicht ausgenutzt und verschenkt werden. Bei großem Nachlassvermögen, das die Steuerfreibeträge von Kinder übersteigt, ist es ratsam, diese bereits beim Tode des Erstversterbenden an dessen Nachlass zu beteiligen, z. B. durch ein Geldvermächtnis damit der Erbschaftssteuerfreibetrag oder Teile davon ausgenutzt werden.

Beispielsfall
Ehegatten errichten ein Berliner Testament und setzten sich gegenseitig als alleinige Vollerben des anderen ein. Der gemeinsame Sohn wird zum Schlusserben eingesetzt. Der Ehemann verstirbt und hinterlässt einen Nachlass von 1Mio €. Zugewinn wurde keiner erzielt. Die zu zahlende Erbschaftssteuer der Ehefrau (ohne Vorsorgefreibetrag) beträgt 131.670,00 €. Hätte der Ehemann im Testament zusätzlich ein Geldvermächtnis an seinen Sohn wenigstens in Höhe dessen Steuerfreibetrages von 205.000,00 € ausgesetzt, wären insgesamt nur 73.200,00 € Erbschaftssteuern angefallen.

Ein weiteres Risiko des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments liegt in der möglichen Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten. Da der neue Ehegatte pflichtteilsberechtigt wäre, bestünde die Gefahr, dass Vermögen des erstversterbenden Ehegatten an den neuen Partner des Überlebenden abwanderte, wenn bei dessen Tod der Pflichtteilsansprüche geltend macht würden. Außerdem kann die Wiederverheiratung zu einem Anfechtungsrecht des überlebenden Ehegatten führen; nämlich dann, wenn diese die Ehegatten bei der Testamentserrichtung nicht in ihr Kalkül einbezogen haben. In diesem Fall könnte das Testament vom überlebenden Ehegatten mit der Folge der Nichtigkeit und Eintritt der gesetzlichen Erbfolge angefochten werden, was zu ungewünschten Ergebnissen führen kann.

Den meisten Gefahren lässt sich durch Testamentsgestaltungen, wie Anfechtungsverzicht, Pflichtteilsstraf- oder Wiederverheiratungsklauseln begegnen. Die Konsultation eines Erbrechtsexperten ist daher sinnvoll.

(Stand November 2003)

Armin Abele

Armin Abele

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht