Erbrecht

Das Pflichtteilsrecht

- Armin Abele

Was ist der Pflichtteil? Wer kann ihn verlangen? Wie hoch ist der Pflichtteil? Wie setze ich den Pflichtteil durch?

Von der gesetzlichen Regelung, was mit dem Vermögen eines Menschen nach seinem Tode geschieht, kann der Erblasser abweichende Regelungen treffen. Er kann also beispielsweise seine Kinder von der Erbfolge auch gänzlich ausschließen. Hierdurch entsteht ein ganz erhebliches Konfliktpotential, das der Gesetzgeber mit dem Pflichtteilsrecht auszugleichen versucht. Es verhindert, dass besonders nahe Angehörige, wie Abkömmlinge, Ehegatten und Eltern, beim Erbe vollkommen leer ausgehen und sichert ihnen am Wert des Nachlasses eine Mindestbeteiligung, den sog. Pflichtteil. Dieser besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, und zwar als Zahlungsanspruch gegen den oder die Erben (§§ 2303 ff. BGB). Der Pflichtteilsberechtigte wird zwar nicht Erbe, doch hat er gegen den Erben einen schuldrechtlichen Anspruch. Ehegatten und Kinder sind stets pflichtteilsberechtigt, es sei denn, sie haben in notarieller Form gegenüber dem Erblasser auf den Pflichtteil verzichtet; Eltern nur dann, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge hatte.

Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts besteht darin, dem Pflichtteilsberechtigten wenigstens die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu sichern. Um den Pflichtteil berechnen zu können, muss also immer die gesetzliche Erbfolge ermittelt werden.

Die garantierte Mindestbeteiligung am Nachlass in Form des Pflichtteils kann auch nicht durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers an Dritte ausgehöhlt werden. Einen Schutz hiervor bieten die Vorschriften der §§ 2325, 2326 BGB. Danach kann im Falle einer Schenkung des Erblassers an einen Dritten der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet wird (sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch). Hierbei sind alle Schenkungen zu berücksichtigen, die im Zeitraum von 10 Jahren vor dem Tode des Erblassers erfolgt sind, bei Ehegatten gilt die 10 Jahresfrist nicht. Dort gilt die gesamte Zeit der Ehe als pflichtteilsergänzungsrelevanter Zeitraum, also auch bei einer längeren Dauer der Ehe als von 10 Jahren. Sollte ein verschenkter Gegenstand wirtschaftlich nicht vollständig aus dem Vermögen des Erblassers ausgegliedert worden sein, so zum Beispiel bei der Schenkung eine Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt für den Schenker, läuft die 10-Jahresfrist ebenfalls nicht.

Hat der Pflichtteilberechtigte selbst vom Erblasser Geschenke erhalten, muss er sich diese auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen, ohne dass es hierfür einer Anordnung des Erblasser bedarf. Die Anrechnung eines Geschenks auf den Pflichtteilsanspruch erfolgt hingegen nur dann, wenn diese bei oder vor der Schenkung vom Erblasser angeordnet wurde.

Zur Durchsetzung des Pflichtteils gesteht das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu, die vom Erben erfüllt werden müssen. So muss der Erbe auf Aufforderung ein geordnetes Nachlassverzeichnis errichten. Es kann auch die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangt werden. Ebenso hat der Pflichtteilsberechtigte ein Recht bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses zugegen zu sein. Sollten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erbe die Auskunft nicht vollständig oder unrichtig erteilt hat, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung des Erben zu, dass dieser die Auskunft vollständig und wahrheitsgemäß errichtet hat.

Wird der Pflichtteil nicht geltend gemacht, verjährt er in 3 Jahren.

Zusatzinfo: Derzeit liegt ein Gesetzentwurf für eine  Pflichtteilsreform vor, so dass in Zukunft mit Änderungen im Pflichtteilsrecht gerechnet werden muss. Dass der Pflichtteil aber gänzlich in Wegfall gerät, ist nicht geplant.


(Stand: Januar 2008)

Armin Abele

Armin Abele

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht