Arbeitsrecht

Der sozialversicherungsrechtliche Status von Gesellschafter-Geschäftsführern nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG - was GmbHs jetzt beachten sollten

- Achim Wurster

1. Einleitung

Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH war stark von Einzelfällen abhängig und regelmäßig auch schwierig vorzunehmen.

Hintergrund dieser Schwierigkeiten ist der rechtliche Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Auf der einen Seite ist der Geschäftsführer Organ der Gesellschaft und vertritt diese nach außen. Auf der anderen Seite existiert aber in der Regel ein Vertrag, der die Bedingungen der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft (Dienstvertrag oder Anstellungsvertrag) regelt. Ist der Geschäftsführer sodann auch noch am Kapital der Gesellschaft beteiligt und somit Gesellschafter-Geschäftsführer, stellt sich die Frage, wie man diese Personen sozialversicherungsrechtlich einordnet. Auf der einen Seite könnte man diese als Unternehmer (und damit selbstständig) ansehen, auf der anderen Seite wäre es aber aufgrund der vertraglichen Regelungen auch möglich, die Geschäftsführer vergleichbar eines Arbeitnehmers als beschäftigt (und damit sozialversicherungspflichtig) anzusehen.

2. Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit

Ausgangspunkt der Abgrenzung ist § 7 SGB IV. Danach liegt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor, wenn der Geschäftsführer Weisungen der Gesellschaft unterliegt und in den Betrieb der Gesellschaft eingegliedert ist.

Auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage hat das BSG bereits im Jahr 2001 herausgearbeitet, dass ein reiner Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht selbstständig tätig sein kann. Ferner hat das BSG bei Gesellschafter-Geschäftsführern regelmäßig auf die sogenannte Rechtsmacht aus dem Gesellschaftsvertrag abgestellt. Das BSG stellte die Frage auf, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer kraft seiner Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung ihm nicht genehme Weisungen verhindern kann. Dies nahm das BSG insbesondere bei einem Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter oder aber einem Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer sogenannten qualifizierten Sperrminorität an.

3. Bestimmte Fallgruppen

Im Laufe der Zeit hatten sich einige Gruppen herausgearbeitet, die von der eben dargestellten grundsätzlichen Abgrenzung abwichen.

In erster Linie ist hier die sogenannte Kopf-und-Seele-Rechtsprechung zu nennen. Danach konnte auch beispielsweise ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer oder auch sogar ein Fremdgeschäftsführer selbstständig sein, wenn er allein über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Erfolg der Gesellschaft verfügte und er quasi nach eigenem Gutdünken schalten und walten konnte. Er musste also Kopf und Seele der Gesellschaft sein. In diesen Fällen sollten die tatsächlichen Verhältnisse Vorrang vor den vertraglichen/rechtlichen Verhältnissen haben und keine Sozialversicherungspflicht bestehen.

Ebenfalls in diese Richtung ging die Thematik der sogenannten Familiengesellschaften. Befanden sich die Gesellschaftsanteile einer GmbH allesamt in Familienbesitz, sollte es ebenfalls nicht auf die einzelnen Stimmenanteile ankommen, da man davon ausging, dass innerhalb der Familie Entscheidungen gemeinsam getroffen werden und kein Gesellschafter auf seine eventuell bestehende Stimmrechtsmehrheit besteht. Daher war es auch in sogenannten Familiengesellschaften möglich, den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Minderheitsgesellschafters als selbstständig festzustellen. Das klassische Beispiel ist die Einbeziehung der Kinder im Rahmen der Unternehmensnachfolge.

Vielfach hatten Gesellschafter sich auch in Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags (sogenannte Stimmbindungsvereinbarungen) verpflichtet, ihre Stimmen nur einheitlich auszuüben und damit faktisch eine Einstimmigkeit herzustellen. Solche Stimmbindungsvereinbarungen waren von der Instanzrechtsprechung ebenfalls als zulässig angesehen worden mit der Folge, dass sich eine daraus ergebende Sperrminorität zum sozialversicherungsrechtlichen Status eines Selbstständigen führte.

4. Entwicklung ab 2012

Seit dem Jahr 2012 und vor allem seit dem Jahr 2015 hat das BSG seine Rechtsprechung verschärft und den oben dargestellten Ausnahmen allesamt eine Absage erteilt.

So stellte das BSG klar, dass es aus seiner Sicht zwar weiterhin darauf ankommt, wie die Gesellschaft tatsächlich gelebt wird. Gleichzeitig führte das BSG aber auch aus, dass die vertraglichen Regelungen die rechtliche Grenze hierfür bilden. Damit kann eine von den Regelungen des Gesellschaftsvertrages abweichende gelebte Praxis nur dann relevant sein, wenn der Gesellschaftsvertrag eine solche Abweichung auch tatsächlich zulässt.

In Folge diese Rechtsprechung hat das BSG zunächst darauf hingewiesen, dass eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Praxis nicht relevant ist, wenn im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen kommen würde. Das BSG lehnt sogenannte Schönwettergesellschaften (also Selbstständigkeit lediglich in harmonischen Zeiten) ab.

Mit weiteren Entscheidungen der Jahre 2012 und vor allem 2015 gab das BSG die Figuren der Kopf-und-Seele-Rechtsprechung sowie der Familiengesellschaften auf. Das BSG führt insoweit aus, dass in der Familie liegende Besonderheiten bzw. allein Branchenkenntnisse nicht dazu führen, die rechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrags außer Kraft zu setzen.

Ferner anerkennt das BSG auch nicht die außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffenen Stimmbindungsvereinbarungen, weil diese jederzeit kündbar seien und somit es wiederum auf die gesellschaftsvertragliche Situation ankomme.

5. Urteil vom 14. März 2018 (B 12 KR 13/17 R)

Am 14. März 2018 hat das BSG seine Rechtsprechung der letzten Jahre nochmals gefestigt und in aller Deutlichkeit und Klarheit herausgestellt, dass es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern ausschließlich auf die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Rechtsmacht ankommt.

Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • ein reiner Fremdgeschäftsführer ist immer sozialversicherungspflichtig beschäftigt
  • ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der die alleinigen oder zumindest 50 % der Stimmenanteile hält, ist selbstständig tätig
  • ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der Stimmenanteile besitzt, aber aufgrund einer umfassenden Sperrminorität in der Lage ist, jegliche ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern, ist selbstständig tätig
  • ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der weniger als 50 % der Stimmenanteile besitzt und über keine umfassende Sperrminorität verfügt, ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

6. Auswirkungen

Nach Veröffentlichung dieser Entscheidung wird man schwerlich noch mit den oben dargestellten Rechtsfiguren arbeiten können. Inwieweit für Fälle in der Vergangenheit Bestandsschutz (Stichwort Rechtsprechungsänderung) greifen muss, ist bisher noch nicht abschließend entschieden. Die Tendenz ist jedoch, dass zumindest die Deutsche Rentenversicherung keinen Bestandsschutz anerkennt und daher auch für die Vergangenheit innerhalb der Verjährungsfrist Beiträge fordert.

Soweit sozialversicherungsrechtliche Beurteilungen von Gesellschafter-Geschäftsführern noch auf Grundlage der oben dargestellten Rechtsfiguren getroffen wurden, empfiehlt es sich dringend, die rechtliche Situation überprüfen. Es drohen ansonsten unter Umständen existenzgefährdende Beitragsnachzahlungen an die Sozialversicherung.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)