Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte sich in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2014 (4 TaBV 7/13) mit der Frage zu befassen, ob die Übertragung der Vorgesetztenfunktion auf einen zwar auch dem eigenen Konzernunternehmen zugehörigen (Konzern-) Mitarbeiter, welcher aber diese Funktion räumlich nicht von demselben Unternehmensstandort aus wahrnimmt, an dem die von ihm zu führenden Mitarbeiter tätig sind, eine zustimmungsbedürftige Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG darstellt. Das Landesarbeitsgericht bejaht dies: „Bei unternehmensübergeifenden Matrixstrukturen kann allein die organisatorische Maßnahme der Bestellung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten zur Eingliederung des Vorgesetzten in den Betrieb führen, dem die Mitarbeiter zugeordnet sind, die dieser Vorgesetzte zu führen hat.“ Damit teilt das Landesarbeitsgericht die von uns vertretene Rechtsansicht (vgl. Rein, Mitbestimmungsfragen beim grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnis im Konzern, 2012, S. 212 ff.). Mag hierin zunächst eine weitere Einschränkung von Organisationsentscheidungsbefugnissen auf Unternehmensseite gesehen werden, ermöglicht sie doch letztlich vielmehr im Falle sogar grenzüberschreitender Konzernstrukturen die Einbeziehung inländischer Konzernunternehmen in sonst regelmäßig „verheimlichte“ Personalentscheidungsfindungsprozesse mit konzernweiten Auswirkungen.
Die Aktualität von Matrixstrukturen
In Branchen, in denen die Zusammenarbeit ihrer „menschlichen Ressourcen“ nicht notwendigerweise ortsgebunden zu erfolgen hat, entfällt bei Restrukturierungen regelmäßig das Bedürfnis, aufwendige Verlagerungsaktivitäten entfalten zu müssen. Zu der infolge von Unternehmenszusammenschlüssen und –übernahmen angestrebten Bündelung von Kompetenzen kann der räumliche Umzug vor allem dank des telekommunikationstechnischen Fortschritts durch bloße organisatorische Neuzuordnung ersetzt werden. Bleiben dabei – wie (noch) überwiegend bei länderübergreifenden Konzentrationsvorgängen der Fall – die (vormaligen Konkurrenz-) Unternehmen als rechtlich eigenständige Gesellschaften – unter nun einheitlicher Konzernführung – erhalten, kann für die Mitarbeiter, die ihren angestammten Arbeitsplatz zwar nicht aufgeben mussten, die Besonderheit entstehen, dass ihre Weisungs- und Berichtswege nicht mehr unmittelbar innerhalb ihrer jeweiligen Anstellungsgesellschaft, sondern konzernweit verlaufen: Die vormalige „Betriebsabteilung“ wird zur sich aus Arbeitnehmern verschiedener Konzerngesellschaften zusammensetzenden „Konzernabteilung“, deren Führung folglich auch nicht zwingend durch einen Arbeitnehmer der eigenen Anstellungsgesellschaft wahrgenommen zu werden braucht. Eine solche Organisationsstruktur wird auch als Matrixstruktur bezeichnet: Die Matrix ergibt sich dabei aus der (nationalen) Anstellungsebene und der (transnationalen) gesellschaftsübergreifenden Tätigkeitsebene.
Ein solcher Matrix-Sachverhalt lag nun auch der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg zugrunde, wobei es sich hier quasi noch um eine „Vorstufe“ handelte: Mit der gesellschaftsübergreifend agierenden Führungskraft hatte jede der involvierten Konzerngesellschaften ein eigenes Arbeitsverhältnis begründet. Die „Besonderheit“ lag hier letztlich also lediglich noch in der Mitarbeiterführung von außerhalb der Betriebe mit dem dieser Führungskraft zugeordneter Mitarbeiter – entweder „telefonisch, per Internet oder via E-Mail“. Betriebsverfassungsrechtlich von größerem Interesse ist freilich die Konstellation, bei welcher die Führungskraft bei dem Unternehmen, dessen Mitarbeiter es von ihr zu führen gilt, gar nicht selbst angestellt ist. Gesteigert wird die Problematik, wenn es sich bei deren Anstellungsgesellschaft überdies um eine ausländische Gesellschaft handelt.
Der zutreffende mitbestimmungsrechtliche Anknüpfungspunkt: Zwischen fremder Auswahlentscheidung und eigener Eingliederungsentscheidung
Die Einstellung von Arbeitnehmern stellt bekanntlich eine zustimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahme dar (§ 99 BetrVG). Für die Anknüpfung des nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Einstellungstatbestands können dabei – theoretisch – verschiedene Handlungsebenen auf Arbeitgeberseite in Betracht kommen. Zum einen könnte hierfür die auf die konkrete Verwendung dieses Arbeitnehmers bezogene Auswahlentscheidung der Konzernmuttergesellschaft als maßgeblich angesehen werden. Gesetzlicher Adressat des Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats bei einer Einstellung ist allerdings der Arbeitgeber der Arbeitnehmer, die mit jener Führungskraft (grenzüberschreitend) zusammenarbeiten dürfen (vgl. nur § 14 Abs. 3 AÜG). Liegt jedoch diese (Auswahl-) Entscheidung nicht bei ihm und fehlt ihm zudem auch jegliche Einwirkungsmöglichkeit auf diese Entscheidung, kann dieser Anknüpfungspunkt nicht zutreffend sein. Die Betroffenheit der durch diesen Mitbestimmungstatbestand geschützt werden sollenden Belegschaft ist aber auch erst mit deren Pflicht zur unmittelbaren Zusammenarbeit mit der jeweiligen (Fremd-) Arbeitskraft durch deren weisungsgebundene Einbeziehung in den betrieblichen Arbeitsverbund zur gemeinsamen Verwirklichung des arbeitstechnischen (Betriebs-) Zwecks gegeben. Es bedarf daher der Umsetzung des zugrundeliegenden Organisationsmodells („Matrix“) durch jedes weitere hieran beteiligte (Konzern-) Unternehmen, welcher eine auf die jeweilige Arbeitskraft bezogene Eingliederungsentscheidung vorangeht. Denn die arbeitstechnische Einbeziehung einer Fremdarbeitskraft stellt keinen fremdgesteuerten Automatismus für den einstellenden Betrieb dar, sie vollzieht sich vielmehr je nach Unternehmenszugehörigkeit des für den einzelnen Arbeitsverbund vermittelnden Weisungsgebers entweder durch dessen dementsprechende Bevollmächtigung (unternehmensfremde Führungskraft) oder durch dessen Ermächtigung (per Weisung an eine unternehmenszugehörige und bereits grundsätzlich bevollmächtigte Führungskraft). Insofern kann sich der Arbeitgeber auch nicht auf eine fehlende Einflussmöglichkeit hinsichtlich der personellen Zusammenstellung einer solchen „Konzernabteilung“ berufen. Deren Einrichtung ist ohne sein Zutun überhaupt nicht möglich. Seine diesbezügliche Entscheidungskompetenz braucht deswegen nicht auch die vorangegangene Auswahlentscheidung zu umfassen.
Den Anknüpfungspunkt der betrieblichen Mitbestimmung im Rahmen des Einstellungsvorgangs bildet – wie im Übrigen sonst auch – eine arbeitgeberseitige Entscheidungsmöglichkeit. Eine solche ist aber noch ebenso hinsichtlich der Frage, ob eine bestimmte, bereits von externer Seite, möglicherweise sogar „auf Konzernführungsebene“ ausgewählte Arbeitskraft tatsächlich (auch) in den eigenen Betrieb – quasi im Wege der „einstrahlenden“ Betriebseingliederung – eingestellt werden soll, gegeben. Dementsprechend kann sich in der arbeitnehmerseitigen Überprüfung der arbeitgeberseitigen Wahrnehmung dieser eingeschränkten „Entscheidungsfreiheit“ die Ausübung der diesbezüglichen betrieblichen Mitbestimmung durchaus erschöpfen. Letztlich entspricht diese Situation derjenigen bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, sog. mittelbaren Arbeitnehmern oder auch von (behördlich zugewiesenen) Nichtarbeitnehmern, an deren individueller Auswahl der Betriebsinhaber regelmäßig auch nicht beteiligt sein wird.
Die für die Betriebseingliederung der (vorbestimmten) Fremdarbeitskraft jeweils vorzunehmende Handlung muss zudem umkehrfähig sein, und zwar für denjenigen, der zur Aufhebung der Einstellung gerichtlich verpflichtet sein kann (§ 101 BetrVG). Auch insoweit zeigt sich, dass nicht die (ausländische) Auswahlentscheidung, sondern allein die (inländische) Eingliederungsentscheidung von mitbestimmungsrechtlicher Relevanz sein kann. Damit erübrigt sich zugleich die Beantwortung der vom Bundesarbeitsgericht bereits in seiner grundlegenden Entscheidung zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern noch aufgeworfenen Frage vom 14. Mai 1974 (1 ABR 40/73), „ob nicht im Hinblick auf das Beteiligungsrecht des Betriebsrates der Entleiher auf eine entsprechende Vertragsgestaltung mit dem Verleiher hinwirken muss“, um einen von jenem „zugewiesenen“ Leiharbeitnehmer auch „zurückweisen“ zu dürfen. Einem möglichen Drängen der (ausländischen) Konzernobergesellschaft auf (vollständige) Umsetzung des von ihr vorgesehenen Organisationsmodells einschließlich der Vornahme damit konkret verbundener Stellenbesetzungen darf die Pflicht zur Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen entgegengehalten werden. Es empfiehlt sich – für den „eigentlichen“ Entscheidungsträger – somit sicherlich, bereits bei der Vornahme der Auswahlentscheidung den hiervon ebenfalls betroffenen Betrieb (im Inland) und dessen Arbeitnehmervertretung einzubeziehen.
Die Unabhängigkeit vom Ort der Weisungsausübung
Nachdem das Landesarbeitsgericht dementsprechend zu dem Ergebnis gelangte, dass auch „die Übertragung des Direktionsrechts im Rahmen eines [parallelen] Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzunternehmen dieselbe Eingliederungswirkung [wie der Einsatz unternehmensfremder Mitarbeiter als Vorgesetzte im Rahmen der Konzernleihe]“ habe, verblieb ihm lediglich noch die Pflicht zur Klarstellung, dass es mitbestimmungsrechtlich gänzlich unerheblich sei, ob der Arbeitseinsatz als Führungskraft „vor Ort“ oder hauptsächlich von einem anderen Unternehmens- bzw. Konzernstandort aus „über elektronische Kommunikationsmittel“ erfolgt. Auch dem ist freilich zuzustimmen (vgl. Rein, Mitbestimmungsfragen beim grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnis im Konzern, 2012, S. 214 f.).