Erbrecht

Die Folgen der Scheidung für das Ehegattenerbrecht

- Armin Abele

Hat der geschiedene Ehegatte noch Erbrechte?

Die Scheidung einer Ehe hat nicht nur in familienrechtlicher Hinsicht sondern auch im Erbrecht ganz erhebliche Auswirkungen, die allerdings vor dem Hintergrund der durch die Scheidung ausgelösten, nicht selten höchst streitigen Folgesachen oft in den Hintergrund rücken oder aber überhaupt nicht gesehen werden. Dies kann zu unliebsamen Überraschungen führen, die dann im Todesfall nicht oder nur noch äußerst eingeschränkt korrigiert werden können.

I. Scheidungsfolgen für gesetzliche Erbrechte

Mit der Rechtskraft der Ehescheidung erlischt das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten (§§ 1931, 1371 BGB), sein Pflichtteilsrecht (§ 2303 II BGB) und das Recht auf den „Voraus“ (§ 1932 BGB). Die Trennung der Ehegatten allein hat auf die Rechte noch keinen Einfluss. Tritt der Tod eines Ehegatten während eines laufenden Scheidungsverfahrens ein, verliert der überlebende Ehegatte seine Rechte, wenn zur Zeit des Erbfalls die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zumindest zugestimmt hatte, § 1933 BGB. Es reicht nicht aus, wenn nur der überlebende Ehegatte den Scheidungsantrag gestellt hatte und die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen, da § 1933 BGB nur einseitig wirkt. Während der die Scheidung beantragende Ehegatte erbberechtigt bleibt, gilt dies nicht für seinen Partner. Dieser muss der Scheidung zumindest zugestimmt haben. Auch in diesem Fall kann er indes nicht sicher sein, dass ein Ausschluss der Erbrechte erfolgt, da die Zustimmung des Erblassers ihre Wirkung verliert, wenn vor dessen Tod der andere Ehegatte den Scheidungsantrag zurücknimmt.

Tipp: Um gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrechte auszuschließen, sollte jeder Ehegatte immer ein eigenen Scheidungsantrag stellen. Hierfür bedarf es allerdings eines Rechtsanwalts.

II. Auswirkungen auf die gewillkürte Erbfolge

Um ein bestehendes Testament aufzuheben, muss der Erblasser i.d.R. aktiv werden, wie etwa durch Errichtung eines späteren Testaments mit anderem Inhalt, willentliches Vernichten oder Streichen von Textpassagen, Rücknahme aus amtlicher Verwahrung oder Anfechtung. Abweichend hiervon fingiert das Gesetz in den §§ 2077, 2268, 2279 BGB eine Ausnahme. Im Zweifel soll, auch ohne dass es einer besonderen Handlung des Erblassers bedürfte, die Unwirksamkeit angenommen werden können. Bei einfachen Verfügungen von Todes wegen und Erbverträgen sollen diese insoweit als unwirksam gelten, als dass der vormalige Ehegatte des Erblassers bedacht wird. Andere Verfügungen zugunsten Dritter bleiben hingegen bestehen. Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament soll davon auszugehen sein, dass sämtliche Verfügungen keine Geltung haben. Ob der andere Ehegatte bedacht ist, spielt keine Rolle.

Die gesetzliche Auslegung greift nur dann, wenn sich kein anderer Wille des Erblassers nachweisen lässt, §§ 2077 III, 2268 II BGB. Der in der Praxis häufigste Fall von Ehegattentestamenten dürfte die Errichtung eines Ber-liner Testaments sein, in dem gemein-same Kinder als Schlusserben eingesetzt sind. In diesen Fällen nimmt die Rechtsprechung aber an, sofern keine anderen Anhaltspunkte vorliegen, dass das Testament trotz Scheidung nach wie vor Geltung haben soll. Dies führt zur weiteren Problematik, ob solche Verfügungen über die Scheidung hinaus ihre Wechselbezüglichkeit behalten und der Widerruf daher der notariellen Form des § 2271 BGB bedarf. Der BGH nimmt dies an.

Also Vorsicht: Nicht immer wird ein gemeinschaftliches Ehegattentestament mit der Scheidung hinfällig. Sofern im Testament keine Regelung getroffen wurde, was im Fall der Scheidung gelten soll, sollte das Testament, wenn es keine Geltung haben soll, in jedem Fall in notarieller Form gegenüber dem geschiedenen Ehegatten widerrufen werden, um spätere Unsicherheiten zu vermeiden und die volle Testierfähigkeit zurück zu erhalten.

(Stand Januar 2005)

Armin Abele

Armin Abele

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht