Arbeitsrecht

Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung und Home-Office – was gilt nun?

- Achim Wurster

Seit Beginn der Coronakrise sind viele Arbeitnehmer bereits im Home-Office tätig, oftmals ohne konkrete und klare Regelungen zu Umfang, Datenschutz und Arbeitsplatzgestaltung. Nachdem die Infektionszahlen im Winter stark anstiegen, befindet sich Deutschland wieder im Lockdown, der aktuell noch bis Mitte Februar 2021 gilt. Ziel ist insbesondere, die Kontakte zu reduzieren, weshalb in der letzten Zeit vermehrt die Forderung nach einer Home-Office-Pflicht aufkam. Die Bundesregierung hat nun reagiert und die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) beschlossen, die am 27.01.2021 in Kraft treten wird.

Ziel: Kontakte reduzieren

Ziel dieser Verordnung ist insbesondere, die bekannten Kontaktbeschränkungen auch im Arbeitsalltag stärker durchzusetzen. Die Verordnung sieht neben diversen Pflichten des Arbeitgebers zum Infektionsschutz auch eine Regelung zum Home-Office vor.

Neben der Pflicht des Arbeitgebers, Mund-Nasen-Schutz bereitzustellen, Arbeitsplätze „coronakonform“ zu gestalten und die Mitarbeiter insoweit auch zu schulen, sieht die Corona-ArbSchV eine Pflicht des Arbeitgebers vor, den Arbeitnehmern im Falle von Büroarbeiten und vergleichbaren Tätigkeiten die Arbeit in deren Wohnung anzubieten. Eine Ausnahme von dieser Pflicht besteht aber nicht, wenn zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen.

Kein Anspruch auf Home-Office, aber Prüf- und Angebotspflicht des Arbeitgebers

Was bedeutet dies nun für die Praxis? Zunächst: entgegen anderslautender Presseberichte handelt es sich nicht um eine Home-Office-Pflicht. Die Verordnung gibt dem einzelnen Arbeitnehmer auch keinen einklagbaren Anspruch auf Beschäftigung (nur) im Home-Office.

Vielmehr muss der Arbeitgeber bei Büroarbeiten und vergleichbaren Tätigkeiten prüfen, inwieweit er Arbeitnehmern die Tätigkeit in ihrer Wohnung zu ermöglichen. Es ist schwer zu beurteilen, ob und welche Gründe die jeweilige Arbeitsschutzbehörde ausreichen lässt. Auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums finden sich in den FAQ einige Hinweise, die man als Auslegungshinweise verstehen kann. Aus der Begründung zur Corona-ArbSchV kann man herauslesen, dass es zwingende betriebliche Gründe sein müssen.

Solche betriebsbedingten Gründe, die entgegenstehen, können aus unserer Sicht z.B. der bürogebundene Posteingang und Postausgang sein. Auch kann unabwendbarer Kundenverkehr einen solchen Grund darstellen. Gleiches gilt für telefonische Erreichbarkeit, insbesondere, wenn technisch eine Weiterleitung ins Home-Office nicht möglich ist. Nicht zuletzt können auch datenschutzrechtliche Erwägungen einen solchen betriebsbedingten Grund darstellen. Auch das Erfordernis einer sehr schnellen und stabilen Internetleitung, die oftmals in den Wohnungen der Arbeitnehmer nicht verfügbar ist, kann ausreichen.

Beschwerdemöglichkeiten der Arbeitnehmer

Arbeitnehmer können sich bei der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde oder beim Betriebsrat beschweren, sollte der Arbeitgeber entgegen seiner Verpflichtung kein Home-Office anbieten. Die Behörde kann gem. § 22 Abs 1. S. 1 ArbSchG vom Arbeitgeber oder von den verantwortlichen Personen die zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte und die Überlassung von entsprechenden Unterlagen verlangen. Ordnet die Behörde Maßnahmen an und setzt der Arbeitgeber diese nicht innerhalb einer gesetzten Frist um, kann sie die von der Anordnung betroffene Arbeit untersagen (§ 22 Arbeitsschutzgesetz). Ferner drohen Bußgelder und bei beharrlicher Weigerung strafrechtliche Maßnahmen.

Vertragliche Regelung erforderlich

Die Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, das Angebot des Arbeitgebers anzunehmen. Nehmen sie es an, muss eine vertragliche Regelung (Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten!) getroffen werden. Inhaltlich macht die Verordnung keine Vorgaben, insbesondere muss man keinen Telearbeitsplatz gemäß § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung einrichten.

Fazit

Eine Pflicht, im Home-Office zu arbeiten ist nach aktueller Rechtslage gar nicht möglich. Umgekehrt kann ein Arbeitnehmer Home-Office auch nicht erzwingen. Mit der Corona-ArbSchV versucht das Bundesarbeitsministerium eine Zwischenlösung auf Basis des Arbeitsschutzes. Ob dadurch das Ziel erreicht wird, ist durchaus fraglich. Wo möglich und sinnvoll, werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits vorher schon Regelungen zum Home-Office geprüft und umgesetzt haben. Es gibt eben Bereiche und Arbeitsplätze, die man nicht nach Hause verlagern kann.

Welche Auswirkungen diese Verordnung auf die derzeit generelle Diskussion zum Thema Home-Office-Anspruch hat, wird die weitere Diskussion zeigen. Der bislang vorliegende Entwurf eines „Mobiles-Arbeiten-Gesetzes“ ist bereits in der Koalition umstritten, sodass wir hier die weitere Entwicklung beobachten müssen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)