Arbeitsrecht

Die vorgezogene Altersrente darf nicht immer gekürzt werden

- Achim Wurster

Gem. § 6 BetrAVG kann der Arbeitnehmer vorzeitig seine betriebliche Altersversorgung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, wenn er eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt und die jeweiligen Voraussetzungen aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers erfüllt sind.

Da das BetrAVG keine Regelung trifft, wie diese vorgezogene Rente zu berechnen ist, hat das BAG im Jahr 2001 Grundsätze aufgestellt, wie die Berechnung vorzunehmen ist. Die Berechnung erfolgt danach entsprechend § 2 BetrAVG. Ausgangspunkt für die Anspruchsberechnung ist die bis zum Erreichen der festen Altersgrenze erreichbare Vollrente. Sie ist im Hinblick auf das vorzeitige Ausscheiden wegen der insoweit fehlenden Betriebstreue nach § 2 BetrAVG zu kürzen.

Exakt hierauf hatte sich ein Arbeitgeber gegenüber einem Betriebsrentner berufen, nachdem dieser seit 1997 eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i.S.d. § 6 BetrAVG bezog. Der Arbeitgeber setzte die Entscheidung des BAG von 2001 um und kürzte dem Rentner die Betriebsrente.

Das BAG entschied nun am 24.01.2017 (3 AZR 72/15), dass der Arbeitgeber nicht in jedem Fall eine Kürzung nach § 2 BetrAVG vornehmen darf. Im konkreten Fall änderten Arbeitgeber und Betriebsrat die Versorgungszusage, wonach die Betriebsrente auch an Mitarbeiter gezahlt wird, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheiden und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Daher ist der Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG nicht vorzeitig i.S.d. § 6 BetrAVG ausgeschieden, sondern nutzte einen in der Versorgungsordnung enthaltenen Versorgungsfall und schied aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Die Berufung des Arbeitgebers auf § 2 BetrAVG ist nach Auffassung des BAG nicht möglich, nachdem hier gar kein Fall des § 6 BetrAVG vorliege. In einem solchen Fall müsste die Versorgungsordnung selbst die Berechnung regeln, was in diesem Fall nicht gegeben war. Daher steht dem Rentner weiterhin die ungekürzte Rente zu.

Fazit: bei der Anpassung von Versorgungszusagen bzw. Einführung neuer Versorgungsfälle darf der Arbeitgeber nicht vergessen, auch die jeweiligen Berechnungsvorschriften zu überprüfen und anzupassen. Regelt die Versorgungsordnung hierzu nichts, ist es dem Arbeitgeber in der Regel verwehrt, die Betriebsrente zu kürzen, auch wenn der Arbeitnehmer nicht alle vorgesehenen Jahre der Betriebszugehörigkeit erfüllt hatte.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)