Arbeitsrecht

Entschädigungspflicht bei verbotswidriger Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin

- Dr. Stefan Rein

Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, ohne hierfür zuvor die erforderliche behördliche Zustimmung erhalten zu haben, kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 1 AGG darstellen und mithin den Arbeitgeber – neben seiner diesbezüglich grundsätzlich gegebenen Schadensersatzpflicht – auch zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten. Dies wurde nun vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und hat im Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen entsprechend zu gelten: Die Missachtung dessen Sonderkündigungsschutzes wäre zugleich eine verbotene Benachteiligung wegen einer Behinderung.

Gesetzliches Kündigungsverbot

Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle, in Baden-Württemberg sind dies die Regierungspräsidien, kann jedoch in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Dieser Sonderkündigungsschutz besteht unabhängig von einer etwaig vereinbarten Probezeit sowie dem Vorliegen eines allgemeinen Kündigungsschutzes.

Rechtsfolgen bei Missachtung des Kündigungsverbots

Eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung ist nichtig, sie kann das Arbeitsverhältnis mithin nicht beenden. Bei bewusstem Verstoß gegen das Kündigungsverbot, also bei Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft bzw. Entbindung besteht zudem die Besonderheit, dass die dreiwöchige Klagefrist erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde gegenüber der Arbeitnehmerin zu laufen beginnt. Der schuldhaft verbotswidrig kündigende Arbeitgeber ist darüber hinaus zum Ersatz aller adäquat kausal auf der Verletzung des Kündigungsverbots beruhenden Vermögensbeeinträchtigungen der Arbeitnehmerin sowie gegebenenfalls auch zur Schmerzensgeldzahlung verpflichtet.

Des Weiteren kann sich der bewusst hiergegen verstoßende Arbeitgeber entschädigungspflichtig machen. Dies wurde so jedenfalls vom Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg (16.09.2015 – 23 Sa 1045/15) entschieden. Denn die Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin unter Verstoß gegen das gesetzliche Kündigungsverbot erfüllt regelmäßig zugleich die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot: Die Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes bei Erklärung einer Kündigung indiziert eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft und damit wegen des Geschlechts. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Schwangerschaft das ausschließliche Motiv für den Kündigungsausspruch ist. Es genügt vielmehr, dass die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat, und für die Vermutung der Kausalität zwischen der Schwangerschaft und dem Kündigungsverhalten spricht bereits der Umstand, dass die Kündigung während des gesetzlichen – und allgemein bekannten (!) – Verbotszeitraums zugeht. Der Arbeitgeber müsste dann diese Vermutung widerlegen können, was jedoch regelmäßig nicht gelingen dürfte.

Missachtung des Sonderkündigungsschutzes schwerbehinderter Menschen als verbotene Benachteiligung wegen einer Behinderung

Entsprechendes hat im Falle der Missachtung des gesetzlichen Sonderkündigungsschutzes schwerbehinderter Menschen und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen (mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 30) zu gelten: Die bewusste Nichteinbeziehung des Integrationsamtes bzw. Kündigung, ohne dessen Zustimmung hierzu erhalten zu haben, wäre prinzipiell eine ebenso verbotene Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne von § 1 AGG.

Dr. Stefan Rein

Dr. Stefan Rein

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht