Arbeitsrecht

EuGH: Fahrzeit vom Wohnort zum Kunden ist bei Außendienstmitarbeitern Arbeitszeit

- Achim Wurster

Was das BAG bereits 2009 entschied, hat der EuGH in seinem Urteil vom 10. September 2015 (C-266/14) bestätigt: Bestimmungen, die die Arbeitszeitrichtlinie in Bezug auf die Höchstdauer der Arbeit und die Mindestruhezeit enthält, sind besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Union, die jedem Arbeitnehmer als Mindestanspruch zugutekommen müssen. Unter „Arbeitszeit“ i. S. v. Art. 2 Nr. Nummer 1 der Richtlinie sei jede Zeitspanne zu verstehen, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder seine Aufgaben wahrnimmt.

Fahrten von Außendienstmitarbeitern zu den von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden sind daher – auch – nach Ansicht des EuGH das notwendige Mittel, damit diese Arbeitnehmer bei den Kunden technische Leistungen erbringen können. Diese nicht zu berücksichtigen, liefe darauf hinaus, dass ein Arbeitgeber geltend machen könne, dass nur die für die Tätigkeit vor Ort aufgewandte Zeit unter den Begriff „Arbeitszeit“ i. S. d. Richtlinie falle, was zur Folge hätte, dass dieser Begriff verfälscht und das Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigt würde.

Daneben beinhalte der Begriff der Arbeitszeit den Bestandteil, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und für die Erbringung von Leistungen zur Verfügung zu stehen. Keine Arbeitszeit läge vor, wenn der Arbeitnehmer eigenen Interessen nachgehen und über seine Zeit bestimmen könne. Diese Möglichkeiten bestünden für Arbeitnehmer nicht, die auch während der Fahrt den Anweisungen ihres Arbeitgebers unterstünden. Bei Außendienstmitarbeitern gehörten damit die Fahrten untrennbar zum Wesen der Arbeit.

Die Entscheidung hat für alle Außendienstmitarbeiter große Praxisrelevanz. Sie bestätigt die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 292/08). Dieses hatte darauf verwiesen, dass die Reisetätigkeit bei Außendienstmitarbeitern, Vertretern, etc. zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehöre, da sie mangels festen Arbeitsorts ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen könnten. Dies gelte nicht nur für die Fahrten zwischen den Kunden, sondern auch für die erste Fahrt vom Wohnort zum Kunden sowie die letzte Fahrt vom Kunden zum Wohnort.

Die Berechnung der Arbeitszeit erst ab dem Einsatzort beim Kunden ist daher rechtswidrig. Dies hat für Arbeitgeber insbesondere auch Einfluss im Hinblick auf die Einhaltung der Höchstarbeitszeit nach dem ArbZG.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)