Arbeitsrecht

Sind Ihre Ausschlussklauseln noch wirksam? Neue Entscheidung des BAG erfordert Handlungsbedarf für Arbeitgeber

- Achim Wurster

Das BAG hat in den letzten Monaten einige Entscheidungen zum Verhältnis von Ausschlussfristen und dem Mindestlohngesetz (MiLoG) gefällt. Diese führen dazu, dass Arbeitgeber Ihre verwendeten Klauseln auf den Prüfstand stellen sollten.

1. Rechtlicher Hintergrund

Ausschluss- und Verfallklauseln sind im Arbeitsrecht gängige Methoden, um die ansonsten dreijährige Regelverjährung zu verkürzen. Damit soll erreicht werden, dass schnell Klarheit über das Bestehen Ansprüchen im Arbeitsverhältnis besteht. Beide Parteien müssen daher innerhalb einer bestimmten Frist ihre Ansprüche geltend machen, ansonsten verfallen diese.

Da in der Regel der Arbeitgeber den Inhalt des Arbeitsvertrags und damit auch der Ausschluss- und Verfallklausel vorgibt, führt die Rechtsprechung eine sog. Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) durch. Danach sind Ausschluss- und Verfallklauseln unwirksam, wenn sie nicht eine Mindestfrist von drei Monaten einhalten. Folge der Unwirksamkeit ist, dass die gesetzliche Regelung (also hier die dreijährige Regelverjährung) wieder gilt (§ 306 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. 27.01.2016 - 5 AZR 277/14; 17.10.2017 - 9 AZR 80/17) müssen derartige Klauseln daher bestimmte Vorgaben einhalten: Zunächst darf die Klausel nicht im Arbeitsvertrag versteckt sein. Sie muss so formuliert sein, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer sie verstehen kann. Ferner muss die Klausel sowohl für Ansprüche des Arbeitnehmers als auch für solche des Arbeitgebers gelten, eine einseitige Regelung nur für eine Arbeitsvertragspartei ist unzulässig. Seit Oktober 2016 darf darüber hinaus keine strengere Form für die Geltendmachung als die Textform (E-Mail, SMS) vereinbart werden.

2. Entscheidung des BAG

Umstritten ist seit langem, ob eine Ausschlussfristenregelung auch dann unwirksam ist, wenn sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt. Diese sind nämlich nach § 3 MiLoG unverzichtbar, die Parteien können darüber nicht verfügen. Nach dem Gesetz heißt es, dass Ausschlussfristen „insoweit“ unwirksam seien, als sie auch den Mindestlohn betreffen würden. Aus dem Wörtchen „insoweit“ haben Arbeitsgerichte und die überwiegende Literatur geschlossen, dass Ausschluss- und Verfallklauseln, die den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen, trotzdem im Übrigen wirksam sind nur insoweit unwirksam sind, als sie Ansprüche nach dem MiLoG ausschließen.

Dies sieht das BAG nun aber anders. Hat es bereits 2016 für den in einer Rechtsverordnung verankerten Pflegemindestlohn entschieden, dass Ausschluss- und Verfallklauseln, die diesen nicht ausdrücklich ausnehmen, unwirksam sind, gibt es nun auch ein Urteil zum allgemeinen Mindestlohn.

Dort ging es um folgenden Sachverhalt:

Der Kläger als Fußbodenleger beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält u.a. die Regelung, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.

In einem Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 15. August 2016 endete und sich der Arbeitgeber verpflichtete, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen. Die vom Beklagten erstellte und dem Kläger am 6. Oktober 2016 zugegangene Abrechnung für August 2016 enthielt keine Urlaubsabgeltung. In dem darauf folgenden gerichtlichen Verfahren hat sich der Arbeitgeber darauf berufen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger musste den Anspruch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen. Die Ausschlussklausel verstößt nach Auffassung des BAG gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie sei nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Die Klausel könne auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). § 3 Satz 1 MiLoG schränke weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.

Damit steht fest: Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 1. Januar 2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist - jedenfalls dann - insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde.

3. Folgen für die Praxis

Durch die Entscheidung des BAG ist klar, dass jegliche Ausschlussfrist, die eine bereit Ausnahme für den Mindestlohn nicht einhält, unwirksam ist. Dies gilt auf jeden Fall für diejenigen Ausschlussfristen, die ab Inkrafttreten des MiLoG vereinbart wurden. Die Entscheidung des BAG liegt bisher lediglich als Pressemitteilung vor, sodass noch nicht klar ist, ob durch die angedeutete Einschränkung für Altverträge vor dem 1. Januar 2015 eine Art Bestandsschutz gilt.

Wir empfehlen daher allen Arbeitgebern, ihre Klauseln auf die Vereinbarkeit mit der neuen Rechnung des BAG zu überprüfen.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)