Arbeitsrecht

Überstundenabgeltung auch bei Vertrauensarbeitszeit

- Achim Wurster

Das BAG hat in einem Urteil vom 23.09.2015 (5 AZR 767/13) entschieden, dass ein Arbeitnehmer auch dann die Abgeltung von Überstunden aus einem Arbeitszeitkonto verlangen kann, wenn die Parteien das Arbeitsverhältnis auf der Basis der sog. Vertrauensarbeitszeit abgewickelt haben.

Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Vertrauensarbeitszeit kennzeichnet sich dadurch, dass die Parteien auf die Aufzeichnung der Arbeitszeit verzichten. Dies bedeutet aber nicht, dass auf der einen Seite der Arbeitnehmer keine Pflicht zur Ableistung einer bestimmten wöchentlichen Arbeitszeit hat, andererseits aber auch der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht unbegrenzt zur Arbeitsleistung heranziehen kann. Die Vertrauensarbeitszeit wird jedoch oftmals falsch verstanden und führt daher zu Rechtsstreitigkeiten, die größtenteils vermieden werden können, wenn man im Vorfeld klare Regelungen – ggf. unter Beteiligung des Betriebsrats – vereinbart.

Der Fall

Im konkreten Fall stritten die Parteien über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens aus einem Arbeitszeitkonto. Die Klägerin war bis zu ihrem Austritt am 31.03.2012 bei der Beklagten als Bürofachkraft tätig. Nach dem Arbeitsvertrag waren Mehr- bzw. Minderstunden über ein Zeitkonto abzurechnen und der Saldo bei Austritt aus dem Unternehmen zu verrechnen. Für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 25.11.2008 übergab die Beklagte der Klägerin eine Arbeitszeitaufstellung mit einem Guthaben von 414 Stunden. In der Folgezeit führte die Beklagte kein Arbeitszeitkonto mehr. Die Klägerin notierte ihre Arbeitszeiten eigenständig, ohne der Beklagten die Aufstellungen vorzulegen.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Abgeltung ihres Arbeitszeitguthabens für den gesamten Zeitraum ihres Arbeitsverhältnisses. Nach der Entscheidung des BAG muss der Arbeitgeber zwar „nur“ nur Vergütung für die 414 Stunden Mehrarbeit leisten, die er in der Arbeitszeitaufstellung streitlos gestellt hatte. Im Übrigen wies das BAG die Klage ab.

In Bezug auf die 414 Stunden Mehrarbeit habe die Klägerin hinreichend die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und ein Guthaben zum Auszahlungszeitpunkt dargelegt. Die Beklagte habe mit der Arbeitszeitaufstellung vom 25.11.2008 das Guthaben von 414 Stunden Mehrarbeit streitlos gestellt. Bestreite die Beklagte dieses nunmehr, so müsse sie im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher Umstände der Saldo nicht zutreffe. Daran fehlte es. Selbst wenn die Parteien Vertrauensarbeitszeit vereinbart hätten, stehe dies der Führung des Arbeitszeitkontos und dem darauf beruhenden Abgeltungsanspruch nicht entgegen. Bei Vertrauensarbeitszeit verzichte der Arbeitgeber nur auf die Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit.

Soweit die Klägerin gestützt auf ihre eigenen Zeitaufschriebe die Abgeltung eines Zeitguthabens begehrte, war die Klage unbegründet. Im Falle selbst gefertigter Arbeitszeitaufstellungen müsse der Arbeitnehmer die Tatsachen, die das Arbeitszeitguthaben begründen, im Einzelnen darlegen. Der Arbeitnehmer müsse darlegen und beweisen, an welchen Tagen er über die Normalarbeitszeit hinausgehend von wann bis wann gearbeitet habe und dass diese Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst oder ihm jedenfalls zuzurechnen sind. Der Arbeitgeber müsse die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet haben oder diese müssten jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Leistung notwendig sein. Dem war die Klägerin hier nicht nachgekommen. Daran ändere es nichts, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig kein Arbeitszeitkonto führe.

Konsequenzen

Mit dem Urteil führt das BAG zunächst seine bisherige Rechtsprechung zur Klage auf Auszahlung eines Guthabens aus einem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto fort. Das Gericht differenziert zwischen vom Arbeitgeber erstellten und vom Arbeitnehmer erstellen Aufstellungen. Bzgl. letzterer trifft den Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast. Arbeitgeber sollten dennoch besonderes darauf achten, vereinbarte Arbeitszeitkonten tatsächlich und sorgfältig zu führen und Guthaben nur dann vorbehaltlos zu stellen, wenn keine inhaltlichen Bedenken bestehen. Das gilt auch und insbesondere bei Vertrauensarbeitszeit. Vertrauensarbeitszeit führt – wie das BAG in dem Urteil deutlich betont – nicht dazu, dass ein einmal vereinbartes Arbeitszeitkonto keine Wirkungen mehr entfaltet.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)