Arbeitsrecht

Und wieder grüßt das Arbeitszeugnis – BAG mit erfreulicher Klarstellung

- Achim Wurster

Die Bewertung von Arbeitszeugnissen ist regelmäßig Streitpunkt zwischen Arbeitgebern und ausgeschiedenen Arbeitnehmern. Insbesondere entstehen Diskussionen, wenn der Arbeitgeber „nur“ eine durchschnittliche Leistung bescheinigt wie z.B. „stets zu unserer Zufriedenheit“. Einzelne Arbeitsgericht zweifeln mittlerweile an, ob eine solche Bewertung in der heutigen Zeit noch einer durchschnittlichen Bewertung entspreche.

Genau diesen Fall hatte das BAG zu entscheiden. Mit Urteil vom 18. November 2014 - 9 AZR 584/13 – kam der Senat zum Ergebnis, dass die Bewertung im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, der Arbeitnehmer habe die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt, in Anlehnung an das Schulnotensystem der Note „befriedigend“ entspricht.

Bessere Beurteilung im Arbeitszeugnis muss bewiesen werden

Gleichzeitig betonte der Senat nochmals, dass der Arbeitnehmer im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, will er eine bessere Schlussbeurteilung erreichen. Dies gilt nach den Erfurter Richtern auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Leistungen bescheinigt werden.

Es ging um folgenden Fall: Die Klägerin war vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 in der Zahnarztpraxis der Beklagten im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten u.a. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Darüber hinaus half die Klägerin bei der Erstellung des Praxisqualitätsmanagements. Die Beklagte erteilte ihr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis. Die Parteien stritten nun darüber, ob die Leistungen der Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit“ oder mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten sind. Während die Vorinstanzen der Klage stattgegeben haben und angenommen haben, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, dass die von der Klägerin beanspruchte Beurteilung nicht zutreffend sei, hatte die Revision der Beklagten vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Benotung im Arbeitszeugnis richtet sich nicht nach dem Durchschnitt

Der Senat führte aus, dass die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen, nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast führen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatzpunkt ist die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im Übrigen lassen sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Dabei kann nämlich insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Zeugnis. Das umfasst nach der Rechtsprechung des BAG auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss somit auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Der Neunte Senat hat somit deutlich klargestellt, dass den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast trifft, will er eine bessere als eine durchschnittliche Leistung im Zeugnis festgeschrieben haben.

Achim Wurster

Achim Wurster

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Zertifizierter Fachexperte für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)